Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
Astrologie beinhaltet ein wenig
mehr als das, aber ich persönlich habe mich nie damit befasst.«
»Aber Jennifer?«
»Ja, soweit ich weiß, ist sie allein
hingegangen, aber mindestens einmal im Monat, manchmal zweimal.«
»Und wie lange schon?«
»Seit Jahren. Seit dem College, würde ich sagen.«
Fortuna versuchte, sich zu erinnern, und nickte. »Ja, ich meine, sie hätte so
was erwähnt.«
Bentz war sprachlos. In all den Jahren, die er
seine erste Frau gekannt hatte, bei all den Geheimnissen, die sie einander
erzählt hatten, hatte sie nie ein Wort darüber verloren, dass sie zu einer
Astrologin ging! An sich war das keine große Sache, aber er fragte sich, welche
anderen Geheimnissejennifer wohl vor ihm verborgen gehalten hatte. »Und was
hat sie von Dr. Phyllis erfahren?«
»Ach du meine Güte ... ich kann mich nicht
erinnern.« Doch plötzlich schnippte Fortuna mit den Fingern. »Ach, warte mal.
Ich erinnere mich, dass Jennifer erwähnt hat, Dr. Phyllis habe ihr gesagt, sie
würde nur ein Kind bekommen und ...« Sie verstummte. »Was?«
»Nun, ich weiß nicht, ob die Astrologin etwas
damit zu tun hatte, aber aus irgendeinem Grund hat Jennifer immer geglaubt,
sie würde jung sterben.«
»Wie bitte?« Sein Herz setzte aus. Ihm gegenüber
hatte Jennifer eine solche Befürchtung nie erwähnt.
»Sie hat so Bemerkungen gemacht wie: >Ich
weiß, dass ich es nicht erleben werde, wenn Kristi ihren Abschluss macht.<
Oder: >Ich weiß, dass ich nie nach Europa kommen werde, dazu bleibt mir
nicht genug Zeit.< Und einmal ... ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran denke
... hat sie zu mir gesagt: >Ach, weißt du, ich bin ganz froh, dass ich nie
alt sein werde.<« Fortuna versagte die Stimme, und sie wandte den Blick von
Bentz ab. »Mein Gott, ich hab seit Ewigkeiten nicht mehr daran gedacht.« Sie
räusperte sich. »Mehr kann ich dir wirklich nicht sagen.« Zwei Männer in den
Dreißigern betraten die Galerie, und Fortuna setzte ein freundliches Lächeln
auf und eilte - ganz Geschäftsfrau - die Treppe hinunter. Die beste
Hollywood-Schauspielerin hätte ihr nicht das Wasser reichen können.
Bentz folgte ihr und hinterlegte an der Kasse
eine Karte, auf die er seine neue Handynummer geschrieben hatte, falls Fortuna
doch noch etwas einfiel. Dann verließ er die Galerie.
Draußen brannte die Sonne vom Himmel. Fußgänger
schlenderten über den Gehsteig und sahen sich die Schaufensterauslagen an. Vor
dem mexikanischen Restaurant nebenan saßen ein paar Gäste unter
Sonnenschirmen, die die Getränke und Teller mit gut gewürzten mexikanischen
Speisen beschatteten. Zwei lachende Kinder auf Rollschuhen hätten beinahe eine
spindeldürre Frau umgefahren. Sie führte einen Pudel spazieren, der vermutlich
mehr wog als sie. Ohne auf die beiden zu achten, flitzten die Kids vorbei. Der
Hund setzte ihnen nach und brachte dabei die Frau zum Stolpern.
Bentz stürzte vor, um zu helfen, aber die
spindeldürre Frau fing sich und schaffte es, ihren außer Rand und Band geratenen
Kläffer bei Fuß zu zerren.
Das Leben ging weiter. Außer für Jennifer.
Irgendetwas war definitiv aus dem Lot geraten. Rick öffnete per Fernbedienung
seinen Mietwagen und überquerte die Straße. Das, was er erfahren hatte, beunruhigte
ihn - Dinge, die er nicht gewusst hatte, Dinge, die für Jennifer wichtig
gewesen waren. Alle ihre Freundinnen schienen sie weitaus besser gekannt zu
haben als er, vielleicht sogar besser, als sie sich selbst gekannt hatte. Doch
spielte das eine Rolle? War es nicht völlig egal, dass Jennifer ihre Besuche
bei der Astrologin für sich behalten hatte?
Nichts, was er über sie erfuhr, überraschte ihn
noch, trotzdem fragte er sich, als er auf den Fahrersitz seines aufgeheizten
Ford glitt, auf welche Geheimnisse er noch stoßen würde. Gedankenverloren
setzte er den Escape aus der Parklücke und wendete. Er erkannte, dass sie
womöglich einen Großteil ihres Lebens vor ihm verborgen hatte, gut versteckt
vor seinem prüfenden Blick. Dass sie ihm die Wahrheit über Kristis biologischen
Vater gesagt hatte, bedeutete noch lange nicht, dass sie ehrlich gewesen war,
was andere Bereiche ihres Lebens betraf. Im Grunde hatte er seine erste Frau
nie wirklich gekannt.
20
»Das schafft er nicht - den Leichnam seiner Frau
exhumieren zu lassen.« Bledsoe stieß ein bellendes Lachen aus in Anbetracht
einer derartigen Vorstellung. »Bentz ist doch wirklich übergeschnappt.«
»Als Familienangehöriger könnte er einen
Weitere Kostenlose Bücher