Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
Willen zu töten, hätte er Sie auch veranlassen können, Mercy zu ermorden.«
»Nein, das hätte er nicht gekonnt.« Stefan war nun offenbar ebenso wütend wie Samuel und ließ keinen Zweifel an seiner Antwort. Er sah mich nun wieder an. »Ich habe dir bei meiner Ehre geschworen, dass du in dieser Nacht nicht zu Schaden kommen würdest. Ich habe den Feind unterschätzt,
und du hast deshalb gelitten. Ich habe meinen Schwur gebrochen.«
»›Das Einzige, was nötig ist für den Sieg des Bösen sind gute Männer, die nichts tun‹«, murmelte ich. Ich hatte Edmund Burkes Betrachtungen über die Französische Revolution im College dreimal gelesen, und einige seiner Argumente hatten mir besonders eingeleuchtet, denn ich war mit dem Wissen darüber aufgewachsen, wie viel Böses es wirklich auf der Welt gab.
»Wie meinst du das?«, fragte Stefan.
»Wird meine Gegenwart in diesem Hotelzimmer dir irgendwie helfen, dieses Ungeheuer zu vernichten?«, fragte ich.
»Das hoffe ich.«
»Dann war es meine geringen Schmerzen wert«, sagte ich entschlossen. »Hör auf, ein schlechtes Gewissen zu haben.«
»Ehrgefühl lässt sich nicht so leicht beschwichtigen«, sagte Samuel und schaute Stefan an.
Stefan schien dem zuzustimmen, aber es gab nichts weiter, was ich für ihn tun konnte.
»Woher wusstest du, dass mit diesem Littleton etwas nicht stimmte?«, fragte ich.
Stefan brach sein Blickduell mit Samuel ab und senkte die Augen zu Medea, die auf seinen Schoß geklettert war und dort zufrieden schnurrte. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ich gesagt, dass er müde aussah. Wenn er den Blick auf diese Weise vor einem weniger zivilisierten Werwolf gesenkt hätte, wären daraus Probleme entstanden, aber Samuel wusste, dass sich ein Vampir, der den Blick senkte, damit nicht unterwarf.
»Ich habe einen Freund namens Daniel«, sagte Stefan einen Augenblick später. »Er ist für unsere Verhältnisse sehr
jung – ihr würdet ihn für einen netten Jungen halten. Als ein Vampir vor einem Monat in einem Hotel in der Nähe abstieg, wurde Daniel ausgeschickt, um nachzusehen, wieso er nicht um Erlaubnis gebeten hatte, wie es sich gehört.«
Stefan zuckte die Achseln. »So etwas passiert öfter, und es muss nicht gefährlich sein. Es war ein angemessener Auftrag für einen neuen Vampir.« Nur dass eine Spur von Missbilligung in Stefans Stimme lag, die mir sagte, dass er Daniel nicht ausgeschickt hätte, um mit einem unbekannten Vampir zu sprechen.
»Irgendwie wurde Daniel abgelenkt – er weiß selbst nicht, wodurch. Etwas weckte seine Blutgier. Er schaffte es nicht einmal bis zu dem Hotel. Es gab eine kleine Gruppe von Wanderarbeitern, die in einem Kirschgarten kampierten, weil sie am nächsten Tag mit der Ernte beginnen wollten.« Er wechselte über meinen Kopf hinweg einen Blick mit Samuel. »Es geschah spät in der Nacht. Es war nicht schön, konnte aber bereinigt werden. Wir nahmen ihre Wohnwagen und Autos mit und wurden sie los. Der Besitzer des Kirschgartens nahm an, die Arbeiter hätten vom Warten genug gehabt und wären weitergezogen. Daniel wurde … bestraft. Nicht zu schwer, weil er noch jung ist, und die Blutgier sehr stark sein kann. Aber jetzt will er sich überhaupt nicht mehr nähren. Er stirbt an seinem schlechten Gewissen. Wie ich schon sagte, er ist ein netter Junge.«
Stefan holte Luft, ein tiefer, reinigender Atemzug. Er hatte mir einmal gesagt, die meisten Vampire würden atmen, um die Menschen nicht zu beunruhigen. Ich denke jedoch, dass einige es auch tun, weil nicht zu atmen sie ebenso beunruhigte wie uns andere. Und wenn sie reden, müssen sie selbstverständlich ohnehin ein wenig Luft holen.
»Bei all der Aufregung«, fuhr Stefan fort, »interessierte
sich niemand mehr für den Vampir im Hotel, der immerhin nur eine Nacht in der Stadt verbracht hatte. Ich dachte nicht einmal daran, zu hinterfragen, was geschehen war, bis ich vor ein paar Tagen versuchte, Daniel zu helfen. Er sprach mit mir über das, was geschehen war – und etwas an seiner Geschichte kam mir einfach falsch vor. Ich weiß, was Blutgier ist. Daniel konnte sich nicht erinnern, wieso er sich entschieden hatte, bis nach Benton City zu gehen, zwanzig Meilen entfernt von seinem eigentlichen Ziel. Daniel ist sehr gehorsam, wie einer eurer unterwürfigen Wölfe. Er wäre nicht von seinen Anweisungen abgewichen, ohne dazu verleitet worden zu sein. Er kann sich nicht bewegen, wie ich es kann, hätte den ganzen Weg fahren müssen – und ein Vampir
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