Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
Anspannung noch. Dass ich in dieser durchdringenden unangenehmen Bitterkeit, die mich umgab, nicht viel wahrnehmen konnte, beunruhigte mich mehr als der Vampir selbst, der nicht sonderlich nach einem gefährlichen Gegner aussah.
»Meine Herrin hat erfahren, dass du hier bist«, sagte Stefan mit ruhiger Stimme, wenn er auch ein wenig abgehackter als sonst sprach. »Sie ist sehr enttäuscht, dass du es nicht für nötig gehalten hast, ihr vorher zu sagen, dass du ihr Territorium aufsuchen würdest.«
»Komm herein, komm herein«, sagte der andere Vampir und machte ein paar Schritte zurück, damit Stefan das Zimmer betreten konnte. »Du brauchst nicht im Flur zu stehen und Leute zu wecken, die schlafen wollen.«
Ich hätte nicht sagen können, ob er wusste, dass Stefan Angst hatte oder nicht. Ich war mir nie ganz sicher, was Vampire riechen können und was nicht – obwohl sie zweifellos empfindlichere Nasen haben als Menschen. Er schien Stefan
in seiner schwarzen Kleidung nicht zu fürchten; tatsächlich wirkte er beinahe zerstreut, als hätten wir ihn bei etwas Wichtigem unterbrochen.
Die Badezimmertür, an der wir vorbeikamen, war geschlossen. Ich spitzte die Ohren, konnte dahinter aber nichts hören. Meine Nase war nutzlos. Stefan brachte uns bis zur anderen Seite des Zimmers, in die Nähe der Schiebetüren, die hinter schweren, vom Boden bis zur Decke reichenden Vorhängen beinahe verborgen waren. Das Zimmer war kahl und unpersönlich, wenn man einmal von dem geschlossenen Koffer absah, der auf der Kommode lag.
Stefan wartete, bis der andere Vampir die Tür geschlossen hatte, dann sagte er kühl: »Niemand versucht heute Nacht in diesem Hotel zu schlafen.«
Das schien mir eine seltsame Bemerkung zu sein, aber der Fremde wusste offenbar, was Stefan meinte, denn er lachte leise und legte dabei die Hand auf den Mund, eine neckische Geste, die eher zu einem zwölfjährigen Mädchen gepasst hätte als zu einem Mann gleich welchen Alters. Es war so merkwürdig, dass ich eine Weile brauchte, um Stefans Satz zu verstehen.
Er hatte es sicher nicht so gemeint, wie es sich anhörte. Kein Vampir, der noch bei Verstand war, hätte alle Menschen in einem Hotel getötet. Vampire waren ebenso gnadenlos wie Werwölfe, wenn es darum ging, für die Einhaltung von Gesetzen zu sorgen, die dafür sorgten, unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und das beliebige Niedermetzeln von Menschen würde zweifellos einige Aufmerksamkeit erreichen. Selbst wenn es nicht viele Gäste gab, hatte das Hotel immer noch Angestellte.
Der Vampir senkte die Hand wieder und stellte nun einen freudlosen Ausdruck zur Schau. Das bewirkte nicht, dass ich
mich besser fühlte. Es war, als beobachtete man Dr. Jekyll und Mr. Hyde, so groß war die Veränderung.
»Niemand, der aufwacht?«, fragte er, als hätte er bisher noch nicht auf Stefans Bemerkung reagiert. »Da könntest du Recht haben. Dennoch, es ist unhöflich, jemanden an der Tür warten zu lassen, oder? Welcher von ihren Schergen bist du denn?« Er hob eine Hand. »Nein, warte, sag es mir nicht, lass mich raten.«
Während Stefan wartete, schien seine übliche Lebhaftigkeit vollkommen verschwunden zu sein. Der Fremde ging um ihn herum und blieb hinter uns stehen. Nur durch die Leine ein wenig behindert, drehte ich mich zu ihm um.
Als er direkt hinter Stefan stand, beugte er sich vor und kraulte mich hinter den Ohren.
Es macht mir für gewöhnlich nichts aus, gestreichelt zu werden, aber sobald seine Finger mein Fell streiften, wusste ich, dass ich diese Berührung nicht wollte. Unwillkürlich duckte ich mich vor seiner Hand und gegen Stefans Bein. Mein Fell sorgte dafür, dass seine Haut mich nicht direkt berührte, aber das änderte nichts daran, dass ich mich durch ihn schmutzig und besudelt fühlte.
Sein Geruch blieb an meinem Fell hängen, und ich erkannte, dass der unangenehme Gestank, der meine Nase verstopft hatte, von ihm ausging.
»Vorsicht«, sagte Stefan, ohne sich umzudrehen. »Sie beißt.«
»Tiere lieben mich.« Die Bemerkung ließ mich schaudern; sie war so unangemessen von diesem … diesem widerwärtigen Ungeheuer. Er hockte sich auf die Fersen und rieb noch einmal meine Ohren. Ich hätte nicht sagen können, ob Stefan wollte, dass ich ihn biss, oder nicht. Also ließ ich es lieber bleiben, denn ich wollte seinen Geschmack nicht auf meiner
Zunge haben. Ich konnte ihn später immer noch beißen, wenn es notwendig wurde.
Stefan sagte nichts mehr, und er schaute
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