Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
auch nur wüsste, dass wir nach ihm suchen.«
Er ballte die Fäuste und wandte sich ab, aber nicht, bevor ich etwas anderes auf seinen Zügen gesehen hatte, etwas Hungriges. »Nein. Du unterschätzt seine Macht, Mercedes. Die meisten von uns können sich vampirischer Macht ebenso wenig widersetzen wie ein Mensch – und es gibt auch nicht viele Seelen, die rein genug sind, um einem Dämon entgegenzutreten. Du willst wirklich nicht, dass er einen von uns übernimmt.« Er blickte mich wieder an und sah nun genauso aus wie immer. Der hungrige Augenblick war vergangen, als hätte es ihn nie gegeben.
Ich trat dennoch einen Schritt zurück, denn mein Instinkt sagte mir, dass ich hier nicht das größte Raubtier war.
Er klang gelassen und gleichmütig, als er weitersprach. »Aber nur für den Fall, dass jemand in Versuchung wäre, sich diesem Zauberer entgegenzustellen, haben die Grauen
Lords verkündet, das sei Sache der Vampire, und uns befohlen, uns herauszuhalten. Die Grauen Lords betrachten die Verluste von ein paar Menschenleben tatsächlich als Kollateralschäden, Mercy. Sie neigen nicht dazu, sich deswegen zu viele Gedanken zu machen.«
Als ich ihm in die Augen sah, begriff ich dreierlei. Erstens gehörte Onkel Mike offenbar zu den Wenigen, die den Zauberer gerne gejagt hätten. Zweitens hasste und fürchtete er die Grauen Lords. Und drittens hielt er tote Menschen ganz und gar nicht für Kollateralschäden.
Ich war mir nicht sicher, was davon mich am meisten überraschte.
»Bedeutet das also«, sagte ich, »dass Sie mich hereinlassen, damit ich Marsilia selbst finden kann?«
Er nickte bedächtig. »Ich stelle mich dir nicht in den Weg.« Er streckte in einer altmodischen Geste den Arm aus. Ich legte die Finger leicht darauf und ließ mich von ihm wieder auf die Bar zu führen.
Kurz vor dem Eingang blieb er jedoch noch einmal stehen. »Nimm die Wölfe nicht mit, wenn du den Zauberer jagst.«
»Warum nicht?«
»Fergus arbeitet bereits sechzig Jahre für mich. In dieser Zeit hat er nie die Hand gegen einen Gast erhoben. Dieser Dämon, von dem der Zauberer besessen ist, ist so voller Gewalttätigkeit wie ein Bach voll kleiner Fische. Schon seine Anwesenheit entzieht uns alle Selbstbeherrschung und verursacht wütendes Toben und Kämpfen. Die Auswirkung eines Dämon auf einen Werwolf ist wie die von Wodka auf Feuer.«
Es klang wie Tonys Bericht über die wachsende Unruhe, die von der Polizei bekämpft werden musste. Bran hatte ebenfalls so etwas erwähnt, nur hatte es sich nicht so gefährlich angehört. Wenn ich genauer darüber nachdachte, ließ
sich Adams Ausbruch vor ein paar Stunden zwar leicht durch eine Mischung aus gereizter Stimmung und Sorge erklären, aber auch Samuel war in letzter Zeit launisch gewesen.
»Warum haben Sie Adam nicht gesagt, dass Warren und Ben in Gefahr sind?«, fragte ich.
»Bevor dieser arme Junge heute auf meiner Schwelle lag, wusste ich nicht einmal, dass Adam seine Jungs nach dem Ungeheuer ausgeschickt hatte – obwohl ich es hätte wissen müssen.«
Hatte Bran die Gefahr gekannt, als Adam Warren und Ben mit Stefan gehen ließ? Ich dachte darüber nach. Wahrscheinlich. Aber Bran war nie jemand gewesen, der seinen Leuten sagte, wo ihre Grenzen waren. Wahrscheinlich lag er damit auch richtig. Sorge und Angst, weil man wusste, dass der Dämon einem die Kontrolle nehmen konnte, würden dem Dämon seine Arbeit noch einfacher machen.
Ich würde es ihnen ebenso wenig sagen, beschloss ich. Was bedeutete, dass ich ihnen auch nicht sagen konnte, dass ich auf die Jagd ging – und was immer Marsilia vorschlagen würde, ich hatte genug vom tatenlosen Rumsitzen. Kojoten waren sehr gut, wenn es darum ging, sich anzuschleichen, und konnten viel größere Beute schlagen, als die meisten Leute erwarten würden. Wenn Marsilia mir helfen konnte, gut. Wenn nicht, würde ich ihn eben allein jagen.
Ich betrat die Bar zusammen mit Onkel Mike. An diesem Abend spielte eine Heavy-Metal-Band, und das Schlagzeug und die verzerrte Gitarre ließen meinen Kopf im Rhythmus schmerzen und überbeanspruchten meine Ohren. Ich kenne Wölfe, die solche Orte lieben, weil ihre empfindsamen Sinne dort eine Weile ausgeschaltet werden. Sie finden das beruhigend. Ich nicht. Es macht mich nervös, wenn ich nicht hören kann, was sich von hinten nähert.
Onkel Mike begleitete mich an der Frau vorbei, die den Eintritt kassierte, und sie bedachte ihn mit einem überraschten Blick, den er ignorierte. Er beugte sich
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