Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
gut aussah. Sein Hemd war aus schwerer Seide, mit weißer Stickerei, und in einem vage orientalischen Stil geschnitten. Es stand ihm besser als die Piratenhemden.
»Hmm.« Ich lächelte Marsilia noch einmal an. »Aber Sie brauchen mich, weil ich ein Walker bin, und angeblich haben wir einige Begabung zum Töten von Vampiren. Und genau das ist dieser Zauberer: ein Vampir.«
Marsilia erwiderte das Lächeln, und diese Miene wirkte menschlicher als alles, was ich bisher bei ihr gesehen hatte – wahrscheinlich musste sie sich ziemlich dafür anstrengen.
Sie drehte das beinahe leere Glas in den Händen und ließ
die tintenschwarze Flüssigkeit herausschwappen. Ich wusste nicht, ob Onkel Mikes Bar Blut in Weingläsern servierte, aber ich konnte nur diverse Alkoholdüfte riechen. Wahrscheinlich also nicht. Da sie jedoch ein solches Theater machte, ging ich davon aus, ich sollte es für Blut halten und nervös werden.
»Danke, dass Sie sich hier mit mir treffen«, sagte sie schließlich.
Ich zuckte die Achseln und übertrieb dabei nur ein kleines bisschen. »Ich will ihn ohnehin jagen.« Erst nachdem ich es ausgesprochen hatte, erkannte ich, dass es der Wahrheit entsprach. »Aber da es sich um einen Vampir handelt, wäre es …« Ich tat so, als suchte ich nach einem Wort. »Sicherer für uns beide, wenn ich Ihr Einverständnis habe.«
Ich spielte ein gefährliches Spiel. Wenn sie mich wirklich für eine Gefahr für die Siedhe hielt, würde sie mich umbringen. Aber wenn sie mich nicht respektierte, war ich wahrscheinlich ebenso tot.
Sie seufzte und setzte das Glas ab. »Sie sind mit Wölfen aufgewachsen, Mercedes, also verstehe ich, wieso Dominanzspiele für Sie so wichtig sind. Aber zwei der Meinen sind verschwunden, und ich habe Angst um sie. Stefan gehörte zu meinen stärksten Leuten, aber das Auffinden der Überreste eines seiner Begleiter sagt mir, dass er versagt hat.«
Alles an ihrer Körpersprache war ein wenig falsch. Vielleicht sorgte sie sich wirklich um ihre Vampire, aber bei der Vorstellung, die sie gab, sträubten sich mir die Haare. Für Wölfe ist Körpersprache wichtiger als Worte – und Marsilias Körpersprache stimmte nicht und drückte Dinge aus, die ihre Stimme nicht bestätigte. Ich wusste nicht, an was ich mich halten sollte.
»›Überreste‹ ist ein bisschen drastisch«, erwiderte ich schließlich. »Warren ist nicht tot.«
Sie sagte einen Moment nichts weiter, sondern trommelte nur mit den Fingerspitzen auf den Tisch, im gleichen Rhythmus, den sie schon bei Stefans Verhandlung benutzt hatte. Meine Reaktion war offenbar nicht das, was sie erwartet hatte – glaubte sie, ich würde ihre Hilfe begierig annehmen?
Schließlich sagte sie: »Ich weiß, Sie geben mir die Schuld an dem, was geschehen ist, weil ich Stefan alleine ausgeschickt habe. Es gab Gründe, es als Strafe darzustellen, aber Stefan ist ein Soldat, der den Auftrag willig annahm. Er wusste, dass ich ihm glaubte, ebenso wie er wusste, dass ich keine andere Wahl hatte, als ihn dieses Geschöpf suchen zu lassen.«
Das glaubte ich ihr durchaus.
»Die Herrin erwartete, dass er mich um Hilfe bitten würde«, warf Andre ein. »Und es ist meine Schuld, dass er es nicht tat. Stefan und ich waren … wir waren lange Zeit Freunde. Aber dann habe ich einen Fehler gemacht, und er war wütend auf mich.« Er sah mich an und schaute mir einen Moment in die Augen, wandte den Blick aber wieder ab, als ich zurückstarrte. Ich fragte mich, was wohl passiert wäre, wenn ich zugelassen hätte, dass er mich in seinen Bann schlug.
Er fuhr fort, als wäre nichts passiert. Vielleicht stimmte das ja sogar.
»Daniel war, als er noch ein Mensch war, einer von Stefans Leuten. Er war zerbrechlicher, als er aussah, und er starb, als ich mich von ihm nährte. Es gibt nur einen kurzen Augenblick, in dem man sich entscheiden kann, jemanden zurückzubringen, Mercedes Thompson. Weniger als fünf menschliche Herzschläge lang. Ich glaubte, die Schuld für alle geringer zu machen, indem ich ihn als Vampir zurückbrachte, statt ihn dauerhaft zu begraben.«
Marsilia berührte seine Hand, und ich erkannte, dass diese Worte nicht mir, sondern ihr gegolten hatten.
»Du hast Daniel ein Geschenk gegeben«, sagte sie. »Du hast deinen Fehler mehr als ausgeglichen.«
Andre senkte den Kopf. »Stefan war nicht dieser Ansicht. Ihn zu uns zu bringen, machte Daniel zu einem der Meinen, und Stefan war überzeugt, das sei von Anfang an meine Absicht gewesen.«
Vampire
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