Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
Einzige, der sie dazu bringen konnte, ihm dieses Geschenk zu geben.«
Ich schwieg eine Weile und dachte über Marsilia nach. Sie hatte sich an diesem Abend Mühe gegeben, wie ein Mensch zu wirken – obwohl sie nicht sonderlich erfolgreich damit gewesen war. Zögernd kam ich zu dem Schluss, dass sie einigermaßen
ehrlich gewesen sein musste, jedenfalls was ihre Erwartungen an mich anging. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie glaubte, ich hätte den Schlüssel dazu, diesen Zauberer zu finden – entweder durch meine Widerstandsfähigkeit gegen Vampirmagie oder durch meine »Fähigkeit«, mit Geistern zu sprechen.
Es ist nicht so, als würde ich die ganze Zeit Geister sehen.
Ich bin ohnehin schon ein Freak, ein Gestaltwandler, der nicht an den Mond gebunden ist, und der sich in einen Kojoten verwandeln kann. Weder Mensch noch Werwolf noch Angehörige des Feenvolks. Es gefiel mir nicht, annehmen zu müssen, dass ich noch seltsamer war, als ich gedacht hatte.
Ich blickte auf und sah Andre, der mich geduldig betrachtete. Für meine an Werwölfe gewöhnten Augen wirkte er nicht wie jemand, der zu Marsilias fähigsten Kriegern zählte. Er hatte keine sonderlich breiten Schultern und keine ausgeprägten Muskeln. Sie hatte ihm vielleicht schmeicheln wollen, weil er bei uns saß, aber das glaubte ich nicht.
»Hat sie sich teleportiert?«, fragte ich. Man hatte mir gesagt, Irrlichter seien die Einzigen, die das wirklich könnten.
Er lächelte und zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie es gemacht wird. Aber es ist einer der Gründe, wieso wir sicher sind, dass Stefan weg ist. Wenn er noch unter uns wäre, könnte man ihn nicht gefangen setzen.«
»Das scheint Sie nicht besonders zu erschüttern«, sagte ich. Ich wollte nicht daran denken, dass Stefan möglicherweise tot war – dauerhaft tot, meine ich.
Wieder zuckte er die Achseln. Es hätte alles bedeuten können. »Ich denke, Stefan ist nicht mehr, Mercedes Thompson – ich trage Weiß, um ihn zu ehren, ebenso wie die Herrin. Aber ich kann nichts weiter tun als seinen Mörder zu jagen.«
Er hielt inne und stellte sehr vorsichtig sein Glas ab. »Wir kennen uns nicht gut genug, dass ich mich an Ihrer Schulter ausweinen sollte.«
Diese Spur von Zorn in seiner Stimme bewirkte, dass ich ihn besser leiden konnte.
»Also gut«, sagte ich. »Warum zeigen Sie mir nicht, wo Stefans Haus liegt?«
Wir waren halb bis zur Tür gekommen, als die Menge uns nicht mehr durchließ. Andre war schneller als ich. Er blieb stehen, wo er war, während ich immer noch versuchte, mich um eine besonders ausladende Frau herumzudrängen, die vor mir stand.
»Warte mal, Kleines«, sagte sie mit einer Stimme, die tief genug war, um meinen Magen vibrieren zu lassen. »Ich rieche einen Menschen in einer Schänke des Feenvolks.« Nach diesen Worten hörte die Musik auf, und der Lärm von Personen, die sich unterhielten und bewegten, wurde erheblich leiser.
Sobald mir klar war, dass sie über mich sprach, obwohl sie sich an den ganzen Raum gewandt hatte, lagen mir gleich diverse clevere, aber auch dumme Bemerkungen über ihren Geruchssinn auf der Zunge – ich war ganz bestimmt kein Mensch, nicht in dem Sinn, wie sie es meinte. Aber das wäre dumm gewesen, weil nur eine sehr dumme Person oben auf einem Bienenstock auf und ab springt.
Manchmal, wenn einer von ihnen ein schreckliches Verbrechen begangen hat, nimmt das gesamte Wolfsrudel an der Bestrafung teil und zerreißt den betreffenden Wolf in Stücke. Aber bevor die Hatz anfängt, gibt es einen Augenblick bedrückender Stille, wenn der Beschuldigte allein ist, umgeben vom Rudel. Dann bewegt sich ein Wolf und beginnt. Dieser Mob fühlte sich so an, als warteten sie darauf, dass jemand begann.
»Ich habe Onkel Mikes Erlaubnis, hier zu sein«, sagte ich leise und möglichst wenig herausfordernd. Ich wusste nicht, was für ein Wesen diese Frau war, und was ich tun sollte, um einen Kampf zu vermeiden.
Sie öffnete den Mund, offenbar nicht zufrieden mit meiner Antwort, als jemand rief: »Eine Strafe.«
Ich glaubte, der Ruf habe an der Theke begonnen, aber er wurde sofort von anderen aufgegriffen. Als sie wieder leiser wurden, sah sich die Frau vor mir um und fragte den Raum: »Welche Art von Strafe?«
Eine Strafe, dachte ich. Was sollte das sein? Eine Lokalrunde? Ein Opfer?
Onkel Mike drängte sich vor, bis er vor mir stand, und sah mich nachdenklich an. Es war ein Zeichen seiner Macht, dass alle auf seine Entscheidung
Weitere Kostenlose Bücher