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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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lauter.
    Sie wandte sich von mir ab und bewegte auffordernd den Schwanz. Dann lief sie los. Sie hatte einen merkwürdigen Gang, eine Mischung aus dem Hoppeln eines Hasen und dem Trab eines Pferdes. Wieder blieb sie stehen und maunzte mich befehlend an. Ich hätte schwören können, dass sie mit dem Kopf auf das Dunklebarger wies, als wollte sie mir mitteilen, dass wir spät dran seien.
    »Zeig mir den Weg.« Ich folgte ihr, hielt mich aber diesmal im Wald neben dem Pfad.
    Als wir uns der letzten Kurve näherten, stolperte ich und landete hinter einem umgestürzten Baum in Laub und Matsch. »Was tust …« Ich verstummte und spuckte Katzenhaare aus, denn Minerva hatte mir, offenbar mit Absicht, ihren Schwanz in den Mund gesteckt.
    Im nächsten Moment hörte ich die Stimmen. Ich verharrte reglos. Die Katze starrte mich vielsagend an, bis ich nickte. Wir versteckten uns also. Eine Männerstimme und der schnippische, herrische Tonfall einer Frau wehten zu uns herüber.
    »Ich wusste, dass ich dich dabei erwischen würde, wie du dich hier herumdrückst«, zeterte die Frau. »Was, wenn sie dich bemerkt? Es ist noch nicht an der Zeit.«
    »Ich wollte sie noch einmal sehen. Wie sie sich verändert hat, bevor …«, erwiderte ein junger Mann schmollend.
    »Habe ich dir dazu die Erlaubnis gegeben? Es spielt keine Rolle, ob du noch an ihr interessiert bist, Kirian.«
    »Können wir ihr nicht einfach die Wahrheit sagen?« Er klang wie Sammy, wenn man ihn anwies, sich zu waschen und zu Bett zu gehen.
    Ich hielt den Atem an und versuchte zu ergründen, wer diese beiden Leute waren. Die Härchen an meinen Unterarmen standen auf Alarmstufe rot. Aternocti vielleicht?
    Eine schallende Ohrfeige ertönte. »Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt. Wenn ich sie hören will, gebe ich dir Bescheid. Kapiert?« Der Tonfall der Frau war eiskalt. Offenbar führte sie hier das Kommando.
    »Jawohl.« Er klang schicksalsergeben.
    »Gut. Jetzt musst du sie überreden, mit dir davonzulaufen. Sag, dass du eine Beziehung mit ihr willst. Dass ihr im April nach Paris fliegt. Schenk ihr Blumen. Verführe sie. Sei ihr Romeo.« Offenbar hatte er genickt, denn die Frau fuhr fort. »Guter Junge. Ich wusste, dass du brav sein wirst.«
    Meine Alarmglocken schrillten. Die Frage »kämpfen oder fliehen?« wurde drängender. Bis jetzt hatte ich das erst einmal gespürt: in Gegenwart von Perimo.
    Ich hörte Kussgeräusche. Saugen, Schmatzen, Keuchen und lustvolles Stöhnen. Ich neigte den Kopf, um unter einer Krümmung im Baumstamm hervorspähen zu können. Eigentlich war es nur eine kleine Lücke, aber wenn ich den richtigen Winkel erwischte, würde ich sie vielleicht sehen können. Bingo. Die Frau trug hohe Stilettoabsätze, einen engen Rock und eine gelbe Lederjacke. Das schwarze Haar hatte sie zu einer eleganten, komplizierten Frisur aufgesteckt. Sie war zwar dreißig Zentimeter kleiner als der Junge, schaffte es aber dennoch auf unerklärliche Weise, ihn zu überragen. Eigentlich hätte er recht niedlich ausgesehen, doch der Handabdruck auf seiner Wange war genauso rot wie der auf seinem Mund verschmierte Lippenstift.
    »Nachdem du diese kleine Sache für mich erledigt hast, verschwinden wir zusammen, wie ich es versprochen habe.« Sie strich ihm das Haar zurück und tätschelte seine Wange.
    Er nickte.
    »Wenn ich dich nachher in der Wohnung absetze, bleibst du dort. Es ist noch zu früh. Beim Festival lassen wir dann die Bombe platzen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das wird ein Spaß.« Sie kicherte. »Komm.« Sie gingen vor mir durch den Wald. Ich rührte mich nicht von der Stelle und beobachtete sie. Die Frau umklammerte fest seinen Arm und zog ihn hinter sich her.
    Ich blieb auf dem Laub liegen und starrte in den Himmel, wo die Wolken vorbeisausten, bis ich sicher war, dass sie mich nicht bemerken würden. Aternocti? War sie es? Oder er? Oder beide? Ich wünschte, ich hätte ihnen in die Augen schauen können. Wenn es sich um Aternocti gehandelt hätte, hätte ich in ihren Augenhöhlen, wo eigentlich der Augapfel hingehörte, nur Schwarz gesehen. Ich fragte mich, ob ein Aternoctus beim Anblick meiner Augen wohl ein Leuchten wahrnahm. Ich hoffte, dass ich nie wieder einem nah genug kommen würde, um das in Erfahrung zu bringen. »Aternocti?«, meinte ich zu Minerva, die über den Baumstamm zurück auf den Weg sprang.
    Die Katze jaulte.
    »Ich nehme mal an, dass das Ja heißt. Aber wer sind sie? Und was sollte die Anspielung auf Romeo im

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