Merkels Tochter. Sonderausgabe.
nur der Rost zusammenhielt. Sie kam nicht allein, es war ein Mann bei ihr, der zuerst im Auto sitzen blieb. Auch einer von der Sorte, um die Ulla Fendrich einen sehr weiten Bogen gemacht hätte. Sie beobachtete von ihrem Küchenfenster aus, wie er Irenes Haustür betrachtete mit einem Blick, als wolle er sie mit den Augen aufbrechen. Schließlich stieg er aus, und Ulla Fendrich befürchtete schon, jetzt werde er das Haus stürmen.
Irene hatte die Schnapsdrossel in die Küche geführt, das Fenster war offen. Ulla Fendrichs Küchenfenster ebenso, sie verstand sehr gut, was gesprochen wurde. Minutenlang keifte und zeterte die Schnapsdrossel, drohte sogar, Irene werde noch bitter bereuen, ihr die drei Kinder weggenommen zu haben.
«Ich habe Ihnen nichts weggenommen», sagte Irene auch nicht eben in normalem Umgangston. «Ich habe die Kinder nur sicher untergebracht. Die Jüngste ist im Krankenhaus, die beiden anderen sind bei einer Pflegefamilie. Das soll kein Dauerzustand sein, aber ich kann ganz schnell einen daraus machen, wenn Sie nicht zur Vernunft kommen. Dann können Sie sich von mir aus im Puff anmelden und Ihre Älteste mitnehmen, da werden Sie fürs Ficken wenigstens bezahlt.»
Die Schnapsdrossel riet dringend, Irene solle das Maul nicht so weit aufzureißen, sonst werde sie ihren Freund reinrufen. Irene konterte, sie solle den Typ, der draußen auf sie warte, nicht als Freund bezeichnen. «Merken Sie eigentlich nicht, wie Sie ausgenutzt werden? Sie saufen sich die Hucke voll, lassen sich von so einem widerlichen Kerl abschleppen und auch noch ausnehmen.»
Darauf entsann sich die Schnapsdrossel, dass sie dringend Geld brauchte, und verlegte sich aufs Betteln. Mit einem Verrechnungsscheck, den Irene offenbar ausstellen wollte, sei ihr überhaupt nicht geholfen, weil sie nicht nur die Stromrechnung begleichen, auch Lebensmittel einkaufen müsse. Und außerdem müsse ihr Freund mit dem Auto zum TÜV, da wäre dann vermutlich eine kleinere Reparatur fällig.
«Er soll arbeiten», beschied Irene. «Für Schmarotzer habe ich nichts übrig.»
Kurz darauf sah Ulla Fendrich die Schnapsdrossel mit einer prall gefüllten Plastiktüte aus dem Haus kommen und in den Fiat steigen. Sie debattierte mit dem Fahrer, gestikulierte, als zeige sie, wo er das Auto wenden könne. Aber es konnte auch eine andere Wegbeschreibung sein, vielleicht die zu dem Trampelpfad, über den Irenes Freund seit Wochen kam, nur gesehen von Ulla Fendrich und ein paar Bauarbeitern, die sich nicht um ihn kümmerten.
Der Thomas-Gottschalk-Verschnitt tauchte kurz nach vier am Dienstagnachmittag auf, stieg über den niedrigen Zaun auf Irenes Terrasse und war im Wohnzimmer verschwunden, ehe Ulla Fendrich auch nur geblinzelt hatte. Er blieb nicht lange, im Höchstfall zehn Minuten. Das Gespräch, im Wohnzimmer geführt, drehte sich um Gernot Brandes, der – wie Irene hoffte – noch von nichts eine Ahnung hatte. Viel mehr verstand Ulla Fendrich nicht, weil der kleine Patrick fröhlich dazwischenkrähte.
Am späten Dienstagabend, beziehungsweise in der Nacht zum Mittwoch, hörte Ulla Fendrich dann noch den letzten heftigen Streit aus dem Nachbarhaus. Gernot Brandes regte sich über seinen Schwiegervater auf, der Irenes Gutmütigkeit ebenso schamlos ausnutzte wie alle anderen, meinte jedenfalls ihr Mann. Bis kurz vor eins stritten sie, ein Wort gab das andere, und Irene blieb kein einziges schuldig.
«Lass meinen Vater aus dem Spiel. Du weißt genau, dass er keinen Pfennig von mir nimmt. Und selbst wenn ich es ihm bündelweise in die Taschen stopfe, geht dich das einen Dreck an. Es ist mein Geld. Ich frage dich ja auch nicht, was du mit deinem Geld machst. Letzte Woche zum Beispiel, da hatte ich den Eindruck, du hast die Firma Fleurop aufgekauft. Den Zettel fand ich zufällig in dem Anzug, den ich in die Reinigung bringen sollte. Welchen deiner wichtigen Kunden hast du denn mit einem hübschen Blumenbukett beglückt? Reicht es nicht mehr, wenn du sie zum Essen ausführst?»
«Meine Mutter hatte Geburtstag», erklärte Gernot Brandes. «Ich wette, du hast sie nicht mal angerufen. Wenn du das nachholst, kannst du ja fragen, ob ihr der Strauß gefallen hat.»
«Soweit kommt’s noch, dass ich wegen einem Blumenstrauß deine Mutter anrufe», hielt Irene dagegen. «Von der bekomme ich doch nur wieder die Adresse ihrer Kosmetikerin.»
«Könnte nicht schaden, wenn du mal hingehst», sagte Gernot Brandes. «Ich meine, wenn du selbst nicht mehr imstande bist,
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