Merkels Tochter. Sonderausgabe.
beschäftigte.
Nachdem das gesagt war, wollte er mit einem feindseligen Blick auf Merkel wissen: «Was macht der hier?»
Antwort bekam er nicht. Heinen wusste von Ulla Fendrich, dass der Mann auf der Couch der Vater des Opfers war. Die junge Polizistin hatte erklärt, er sei wohl ein Kollege, keine Ahnung, von welcher Dienststelle. Dass er unter Schock stand, hätte sie nicht noch betonen müssen. Das war offensichtlich, er konnte ja nicht mal seinen eigenen Namen angeben.
Brandes behauptete, sein Schwiegervater hieße Friedmann Gersolek. Merkel hörte das und begriff auch, dass er nun mit einer falschen Identität in die polizeilichen Ermittlungen einging. Er fühlte sich jedoch nicht verpflichtet, das richtig zu stellen. Im Gegenteil, irgendwie amüsierte es ihn, dass er sich nun verdrücken könnte und sie lange nach ihm suchen müssten, weil nicht anzunehmen war, dass Brandes sich so bald korrigierte. Und wen sollten sie sonst nach Irenes Vater fragen?
Kurt Seifert hatte sich kein Schild an seine Bürotür gehängt, auf dem man nachlesen könnte, dass es noch so eine Art Bruder gab, der früher auf dem Schulhof die Jungs vermöbelt hatte, die Kurt wegen seiner abstehenden Ohren hänselten. Der dann später fünfzehn Jahre im Knast gesessen hatte. Ein Mörder! Wenn man es genau nahm, war er nicht besser als Ziriak.
Für die Polizei waren weder Merkel noch sein Schwiegersohn von großem Nutzen. Und Ulla Fendrichs erste Aussage verhalf ihnen an dem Mittwochnachmittag auch nur zu einer Vorstellung vom möglichen Motiv und dem Ablauf des Geschehens. Vom Besuch der Schnapsdrossel am vergangenen Nachmittag, ihren Drohungen und ihrem finster dreinblickenden Begleiter mit dem klapprigen Fiat sowie von dem Motorengeräusch, das Irenes Nachbarin um elf Uhr aus ihrem Schlummer gerissen hatte, erfuhr vorerst niemand etwas. Es ging bei Ulla Fendrich im Entsetzen unter, lediglich den kurzen Plausch mit Irene um halb zehn und das Auftauchen der Drückerin eine Stunde später erzählte sie sofort.
So wusste man über Irenes Vormittag zu Beginn der Ermittlungen nicht mehr, als dass sie zwischen neun und halb zehn mit dem Staubsauger in ihrem Wohnzimmer gearbeitet und einen Anruf bekommen, dass sie anschließend die Hemden ihres Mannes auf die Terrasse gehängt hatte. Und dass sie um halb elf die junge Frau mit dem Packen Zeitschriften auf dem Arm zu einem Kaffee eingeladen hatte, die dann gegen Viertel nach elf wieder an Ulla Fendrichs Bungalow vorbeigegangen war.
Ob die Drückerin sich eine Dreiviertelstunde lang bei Irene aufgehalten oder ihr Glück noch bei den letzten zwei bewohnten Häusern am Rosenweg versucht hatte, war nicht zu überprüfen und schien ebenso nebensächlich wie die Beantwortung der Frage, wann Irene die Nähmaschine auf den Küchentisch gestellt und mit der Arbeit an Merkels Hose begonnen hatte.
Ziemlich genau um halb zwölf war der Irokese erschienen, das war der Punkt, auf den sich Heinen und seine Kollegen konzentrierten. In der nächsten halben Stunde musste es dann zu einer Auseinandersetzung gekommen sein, die Irene veranlasst hatte, den jungen Mann wieder vor die Tür zu setzen, ehe sie ihren Sohn aus dem Bett holte.
Zwar hatte Ulla Fendrich zwischen halb zwölf und zwölf kein lautes Wort und auch sonst nichts aus dem Nachbarhaus gehört. Aber wenn Irene und der Irokese in der Küche gewesen waren, nicht allzu laut bei geschlossenem Küchenfenster und geschlossener Dielentür gesprochen hatten, damit Patrick nicht vor der Zeit aufwachte, hätte Ulla Fendrich auch nichts hören können. Das probierten die Ermittler aus.
Und mit einem Rauswurf waren das Rufen und Klopfen erklärt. Ulla Fendrich konnte nicht sagen, ob die Geräusche aus dem Haus oder von draußen gekommen waren. Von draußen schien wahrscheinlicher. Anschließend hatte der Irokese sich vermutlich in der Gegend herumgetrieben. Er kannte die Zeit, zu der Irene ihren Sohn wieder ins Bett legte, kam gegen zwei Uhr zurück, unbemerkt über den Trampelpfad, durch die offene Terrassentür wieder ins Haus.
Ulla Fendrich hatte nicht unentwegt mit offenen Augen in der Sonne gelegen und den Garten nebenan beobachtet. Über den Zaun gestiegen war man schnell und geräuschlos. Dann musste alles sehr schnell gegangen sein. Fest stand, dass Irene vor der Nähmaschine gesessen hatte, als sie angegriffen wurde.
Der Gerichtsmediziner, der die erste Untersuchung vornahm, meinte, der Tod sei gegen dreizehn Uhr eingetreten, vielleicht etwas
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