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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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in einigermaßen zivilem Ton und brüllte dann unvermittelt los: «Einen Dreck! Willst du dich von dem Idioten verarschen lassen? Spielst du jetzt den Anwalt für das Schwein? Hast du mich da reingeschickt, damit ich dir entlastendes Material für ihn beschaffe? Ziriak war’s! Er muss es gewesen sein.»
Kurt schüttelte den Kopf, war so ruhig dabei, dass es Merkel noch wütender machte. «Drücken wir es einmal so aus», sagte Kurt. «Ziriak war möglicherweise schon im Haus, als Irene starb. Hundertprozentig sicher ist nicht einmal das. Eintritt des Todes zwischen halb zwölf und zwölf, das habe ich dir ja gestern schon erklärt, und genauer bekommen wir es nicht. Die Forensik kann sich nicht auf die Minute festlegen. Sie haben eine erstklassige Arbeit geleistet und tendieren zur früheren Zeit. Das bedeutet, dass Irene zumindest schon sehr schwer verletzt und vermutlich ohne Bewusstsein war, als Ziriak klingelte. Die Haustür könnte sehr wohl offen gewesen sein, wie er sagte. An der Klinke gab es nur einen Handabdruck von ihm. Er musste sie anfassen, als er das Haus verließ. Bevor er kam, ist die Klinke gründlich abgewischt worden.»
Diesmal ersparte Kurt ihm nichts, schilderte den Obduktionsbefund in seiner gesamten Grausamkeit. Der Schlag auf den Kopf konnte Irene nur vorübergehend betäubt haben. Von den siebzehn Schnitt- und Stichwunden in ihrem Rücken hatte keine ein lebenswichtiges Organ so verletzt, dass sie daran binnen kürzester Zeit gestorben wäre, was bei einer zwölf Zentimeter langen Messerklinge verwunderte.
Kurt sprach von zwei Angriffswellen, bei der ersten hatte Irene noch gesessen. Im Schulterbereich und oberen Rücken gab es acht Fleischwunden, die zwar stark, aber nicht lebensbedrohlich geblutet hatten. Das Messer war an Schulterblättern und Rippen abgerutscht. Kurt nannte es eine blindwütige Aktion, ausgeführt von jemandem, dem entweder jegliche Kenntnis der menschlichen Anatomie fehlte oder der so in Rage war, dass es ihn nicht kümmerte, wohin das Messer traf.
Dann musste Irene vom Stuhl gerutscht sein. Aber sie war nicht seitlich zu Boden gefallen. Deshalb war davon auszugehen, dass sie ihr Bewusstsein wiedererlangt, den Sturz abgefangen und sich selbst auf den Bauch gedreht, vielleicht zu entkommen versucht hatte. Die nächsten Stiche mussten vom Täter in gebückter Haltung und mit geringem Kraftaufwand ausgeführt worden sein. Zum Tode geführt hatte letztendlich ein einziger Stich in der Nierengegend, mit dem eine kleine Arterie durchtrennt worden war. Irene war langsam verblutet, sehr langsam, es mochte sich über eine halbe bis eine Dreiviertelstunde hingezogen haben.
«Und das bedeutet», sagte Kurt, «die Verletzungen müssen ihr erheblich früher beigebracht worden sein, als wir zuerst dachten. Wahrscheinlich kurz vor elf. Sie dürfte danach unter Schock gestanden haben, war desorientiert, wurde zunehmend durch den Blutverlust geschwächt. Wenn sie um halb zwölf noch gelebt haben sollte, war sie jedenfalls nicht mehr in der Lage, sich bemerkbar zu machen.»
Beim letzten Satz verlor Kurt die Fassung. Er schluchzte fast. «Ich könnte den Idioten vierteilen. Setzt sich ins Wohnzimmer, füllt in aller Seelenruhe seine Bogen aus und fragt sich nicht einmal in der ganzen Zeit, wo sie so lange bleibt.
Vielleicht wäre sie zu retten gewesen, wenn er sofort in der Küche nachgeschaut …» Kurt brach ab, presste die Hand auf Stirn und Augen und brauchte etliche Sekunden, um seine Fassung zurückzugewinnen.
Merkel atmete mehrfach tief durch, dann hatte er genug Luft beisammen für einen Widerspruch. «Wenn er schon um elf Uhr in der Gartenstadt war, könnte ja sein, hast du gestern gesagt, dann kann er auch sofort zu ihr gegangen sein. Was, verdammt nochmal, macht dich so sicher, dass er es nicht war?»
«Die Art der Verletzungen, Hein», erwiderte Kurt nun wieder sachlich. «Ich habe es dir doch gerade erklärt. Wenn Ziriak mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge zugestochen hätte, müsste das ganz anders aussehen. Keiner der Stiche geht tiefer als fünf Zentimeter ins Gewebe. Ihn hätten auch ein paar Rippen nicht aufgehalten. Und er hatte doch kein plausibles Motiv, Hein. Seine Zukunft hing von Irene ab, das wusste er genau. Versetz dich mal in seine Lage. Natürlich war er am Montag sauer auf sie und hat Sprüche geklopft. Aber er hat nochmal nachgedacht, den ganzen Dienstag keinen Fuß aus der Wohnung gesetzt, nur vor sich hingebrütet und geflucht, sagte seine Mutter.

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