Merlin und die Fluegel der Freiheit
Atemwolken und dem verzagten Schatten an meiner Seite begleitet. Er
wusste wie ich, dass meine Probleme und die Fincayras von Stunde zu Stunde drückender wurden. Bei jedem Schritt stieß mein
Stock auf den harten Boden und durchbohrte welkes Laub und verkrusteten Schmutz.
Allmählich stieg das Land zu den schneeigen Hügeln an.Ein Falke kreiste in der Luft und schrie mit seiner hohen, pfeifenden Stimme, sonst schien die Welt leblos zu sein. Gräben,
durch die im Frühling Wasser über bemooste Steine und an taufeuchten Binsen vorbeiplätscherte, waren jetzt trocken und hart.
Ein junger Weißdorn, der zu einer anderen Jahreszeit in rosa und weiße Blüten ausbrechen würde, stand da, so kahl wie mein
Stock.
Direkt vor mir sah ich den Ausläufer eines Hügels, der von einer tiefen Kluft gespalten wurde. Ich ging schneller, denn ihn
kannte ich gut. Jetzt war in der Kluft die graue Hütte zu erkennen, die aus der Hügelerde zu wachsen schien, das Heim meiner
Freunde T’eilean und Garlatha.
Ich ging auf die Hütte zu, die dunkel im Schatten des umgebenden Hügels lag. Dann war daneben ein bisschen Grün auszumachen.
Je näher ich kam, umso stärker wirkte das Grün. Überrascht konzentrierte ich mein zweites Gesicht darauf, um sicher zu sein
– aber nein, die Farbe war da. In verschwenderischer Fülle.
Baumreihen, bis zum Gipfel so reich beblättert wie Rhias Gewand, standen auf beiden Seiten der Hütte. Ihre Äste waren mit
reifenden Früchten beladen und hingen tief. Bald konnte ich prächtige goldene Birnen ausmachen und ein paar Pflaumen, groß
wie meine Faust, außerdem Kirschen, Äpfel und mein Lieblingsobst, die spiralförmige Frucht des Larkonbaums. Unter den duftenden
Zweigen standen Beerenhecken voller Heidelbeeren, Erdbeeren und Brombeeren. Selbst die seltene Llyrberry, Heilmittel bei gerissenen
Muskeln – und angeblich auch enttäuschten Träumen – wuchs in Massen. Weinranken, darunter zwei oder drei voller Trauben, klammerten
sich an die Hausmauern; ein Büschel hellblauer Blumen hing über der Tür.
Überrascht kaute ich an meiner Unterlippe. Zwar hatteich mit Hallia diesen Garten noch im Herbst in voller Blüte gesehen. Aber jetzt, mitten im Winter? Selbst die große Gartenkunst
meiner Freunde konnte den Ablauf der Jahreszeiten nicht umkehren.
Plötzlich verstand ich den Grund. Diesem Paar war genau wie Rhia einer der Schätze Fincayras anvertraut worden. Sie behüteten
die legendäre blühende Harfe, deren magische Saiten jede Landschaft zum Leben, jede Pflanze zum Blühen bringen konnten.
Wie passend, dass so viel Leben innerhalb ihrer Gartenmauern erhalten blieb! Denn auch T’eilean und Garlatha schienen trotz
ihres hohen Alters nie ihre Lebenskraft zu verlieren. Das zeigte sich in ihrer Leidenschaft für die Gärtnerei wie in ihrer
Lust am heftigen Streiten, einer Art von Streit, der nur bei Menschen möglich ist, die viele Jahre lang zusammengelebt haben.
Ich erinnerte mich liebevoll, wie oft Garlatha ihren Mann damit neckte, dass sie ihn durchschauen, den Anblick aber immer
noch genießen könne.
Hinter dem Holztor in der Mauer empfing mich warme Luft, als hätte ich geradewegs den Frühling betreten. Ich knöpfte meine
Jacke auf und roch die süßen Düfte. Libellen, Honigbienen und Käfer mit grünen Rücken umschwärmten die Blüten, ihre Flügel
summten.
Ich ging zur Tür. Gerade wollte ich klopfen, da hörte ich ein Stöhnen von irgendwo hinter der Hütte. Schnell lief ich um die
andere Seite. Als ich die Ecke umrundet hatte, blieb ich stehen, mein Schatten streckte sich hinter mir, als wollte er weglaufen
vor dem, was uns erwartete.
Da lag T’eilean an den Stamm eines alten Kirschbaums gelehnt, das weiße Haar fiel ihm lose um die Schultern. Er presste die
rechte Hand auf die Brust und verkrampfte siein den Falten der schweren braunen Tunika. Bis auf die dunklen Pupillen seiner Augen und das Faltennetz um sie herum war sein
Gesicht völlig bleich. Neben ihm kniete Garlatha und streichelte ihm die Stirn, ihr Gesicht sah ähnlich aus.
Beide Köpfe drehten sich gleichzeitig zu mir. Garlathas Augen strahlten auf, als sie rief: »Oh, du bist es, Merlin! Nie haben
wir deine Heilkraft so gebraucht wie jetzt!«
Schwach schüttelte der Alte den Kopf. »Noch nicht mal ein Zauberer . . . kann mir jetzt helfen, mein Herz.«
Ich trat vor und kniete mich neben Garlatha. »Sagt mir, was passiert ist.«
Mit ihrer stark geäderten Hand
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