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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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schleudern. Doch meine Entschlossenheit, meine Mutter zurückzubringen, war stärker als
     mein Zorn. »Dann sag mir, wo ich die weiseste Muschel finden kann.«
    Die braune Muschel lachte und tropfte Wasser in mein Ohr. »Versuch es dort, wo Holz und Wasser sich treffen, törichter Junge.«
    Verwirrt drehte ich die Muschel in meiner Hand. »Die nächsten Bäume stehen auf der anderen Seite der Dünen. Am Wasser ist
     kein Holz.«
    »Bist du sicher?«
    »Absolut sicher.«
    »So spricht ein Narr.«
    Widerwillig schaute ich über die Halbinsel. Schließlicherspähte ich dort, wo der Krebs verschwunden war, ein bisschen Treibholz. Faulender Seetang hing darüber wie zerrissene Lumpen.
     Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Du meinst doch nicht diesen elenden kleinen Haufen dort drüben.«
    »So spricht ein Narr«, wiederholte die Muschel.
    Gar nicht überzeugt das Richtige zu tun, warf ich die braune Muschel in die Lache und ging hinüber zu dem Treibholz. Ich riss
     den Seetang ab und suchte nach einer Muschel. Nichts.
    Gerade wollte ich aufgeben, da bemerkte ich etwas Winziges in einem Spalt im Holz. Es war eine sandfarbene Muschel, geformt
     wie ein kleiner Kegel. Sie hätte leicht auf meinen Daumennagel gepasst. Als ich sie hochhob, schob sich ein schwarzes, wurmähnliches
     Geschöpf teilweise aus der Öffnung am Boden und verschwand dann rasch wieder im Inneren. Obwohl ich mir nicht sicher war,
     glaubte ich ein schwaches, plätscherndes Geflüster zu hören.
    Vorsichtig brachte ich den Gegenstand näher an mein Ohr. Die plätschernde Stimme kam wieder wie eine Welle, die in die innersten
     Kammern der winzigen Muschel schlug. »Du,
platschsch,
hast gut gewählt, Merlin.«
    Ich hielt die Luft an. »Hast du meinen Namen genannt?«
    »Das habe ich getan,
plitschsch,
auch wenn du meinen nicht kennst. Er ist,
platschsch,
Washamballa, die Weise unter den Muscheln.«
    »Washamballa«, wiederholte ich und legte den feuchten kleinen Kegel an mein Ohrläppchen. Etwas in ihrer Stimme ließ meine
     Hoffnungen steigen. »Weißt du auch, warum ich gekommen bin?«
    »Das,
platschsch,
weiß ich.«
    Mein Herz hämmerte. »Wirst du – wirst du mir helfen? Wirst du sie nach Fincayra zurückbringen?«
    Die Muschel schwieg mehrere Sekunden lang. Schließlich sagte sie mit ihrer kleinen, gurgelnden Stimme: »Ich sollte dir nicht
     helfen, Merlin. Die Risiken,
plitschsch,
sind so groß, größer, als du ahnst.«
    »Aber . . .«
    »Ich sollte es nicht«, fuhr die Muschel fort. »Doch ich spüre etwas in dir . . . etwas, dem ich nicht widerstehen kann. Da
     du noch so viel mehr zu lernen hast,
platschsch,
könnte auch das dazugehören.«
    Washamballa machte eine Pause. Ich hörte ihr glucksendes Atmen und wagte nicht etwas zu sagen.
    »Wir können Erfolg haben,
platschsch,
oder wir können scheitern. Ich weiß es nicht, denn auch Erfolg kann ein verkleidetes Scheitern sein. Willst du es immer noch,
plitschsch,
versuchen?«
    »Ja«, erklärte ich.
    »Dann halte mich fest,
platschsch,
an dein Herz und konzentriere dich auf die, nach der du dich sehnst.«
    Ich nahm die Muschel in beide Hände und drückte sie an meine Brust. Ich dachte an meine Mutter. Ihren Tisch mit den Kräutern,
     scharf riechend und würzig. Ihre ausdrucksvollen blauen Augen. Ihre Güte, ihr ruhiges Auftreten. Ihre Geschichten über Apollo,
     Athene und den Ort, der Olympus genannt wurde. Ihren Glauben – an ihren Gott und an mich. Ihre Liebe, still und stark.
    Nebel umwaberte mich. Wellen leckten an meinen Stiefeln. Doch sonst geschah nichts.
    »Versuch es stärker,
plitschsch
. Du musst es stärker versuchen.«
    Ich spürte Elens Traurigkeit. Weil sie nie nach Fincayra zurückkehren konnte. Weil sie nie sehen würde, wie ihr Sohn zum Mann
     heranwuchs – und weil er in all diesen Jahren in Gwynedd sich geweigert hatte sie Mutter zu nennen. Ein einfaches Wort, ein
     mächtiges Band. Ich zuckte zusammen, als ich daran dachte, wie viel Schmerz ich ihr bereitet hatte.
    Langsam wurde ihre Gegenwart stärker. Ich konnte ihre Umarmung spüren, die Sicherheit, die ich einst in ihren Armen gefühlt
     hatte. Wie ich wenigstens für kurze Augenblicke alle Qualen vergessen konnte, die uns marterten. Ich konnte die Zedernrindenspäne
     bei ihrem Kopfkissen riechen. Ich konnte ihre Stimme hören, die mich über die Meere der Sehnsucht rief.
    Dann kam der Wind. Ein heftiger, heulender Wind, der mich auf den felsigen Boden warf und mich mit Gischt durchnässte. Er
     tobte

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