Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit
Gerste und einen mit Weizen
aus den Säcken dort drüben. Dannträgst du sie zum Mahlrad in dem Raum hinter den hohen Regalen. Dort kannst du etwas übers Mahlen und Sieben lernen.«
Er wischte ein wenig Mehl von seiner Tunika. »Und du, Junge, kannst ein bisschen hacken. Dort drüben an dem Tisch, wo Herzbrot
vorbereitet wird.«
Vivian wirkte überrascht. »Wirklich, Brotmeister?«
»Du hast richtig gehört. Er kann Kerne hacken.« Ohne auf Vivians Verwunderung zu achten wandte er sich an mich. »Wenn du gute
Arbeit leistest, Junge, zeige ich dir mehr. Vielleicht lasse ich dich sogar ein bisschen Herzbrot kosten, das dir den Magen
füllt, während es dein Herz mit Mut stärkt.«
Ich schluckte den Rest meiner Kruste. »Danke, aber mehr Brot, als du mir gegeben hast, brauche ich nicht. Es ist köstlich.«
Sein rundes Gesicht strahlte. »Wie gesagt, es hängt alles davon ab, dass man über die Zutaten Bescheid weiß.« Ein geheimnisvolles
Lächeln spielte um seine Lippen und verschwand wieder. »Du brauchst ein Hackmesser für die Kerne und im Moment haben wir nicht
viele davon. Ah, gut, da liegt eins auf dem Tisch. Vivian, warum gehst du nicht mit ihm dort hinüber und zeigst ihm, wie man
es macht? Ich komme nachher vorbei und schaue, ob er Fortschritte macht.«
Als das Mädchen das hörte, wurde es munterer. Schnell trat sie zwischen Rhia und mich. Mit viel sanfterer Stimme als zuvor
flüsterte sie mir zu: »Die meisten nennen mich Vivian, aber meine Freunde sagen Nimue zu mir.« Ein warmes Lächeln verschönte
ihr Gesicht. »Ich helfe dir gern. Wo immer ich kann.«
»Ah, danke, Viv – ich meine, Nimue«, murmelte ich. Schmeichelte mir nur ihre Aufmerksamkeit oder war noch etwas anderes an
diesem Mädchen, das mein Herz schneller schlagen ließ?
Rhia schob sie zur Seite, ihre Augen strahlten nicht mehr. »Du kannst damit anfangen, indem du ihm ein Messer besorgst.« Sie
schaute mich warnend an.
Ihre Einmischung ärgerte mich. Wovor musste sie mich überhaupt warnen? Sie behandelte mich wieder wie ein Kind.
»Komm.« Nimue streifte an Rhia vorbei. Sanft nahm sie meine Hand und schob ihre Finger langsam meinen Unterarm hinauf. Eine
neue Wärme durchströmte mich, als sie mich zu einem Tisch mit Gemüse, Kernen, Wurzeln und Kräutern führte. Eine ältere Frau
saß an einem Ende und sortierte flink die Zutaten in Häufchen. Am anderen Ende stand ein junger Mann mit schütterem Bart und
schälte eine gewaltige Nuss, die wie eine riesige Eichel aussah.
»Fangen wir hier an.« Nimue führte mich zur Mitte des Tischs. Sie schob eine Schüssel mit viereckigen, purpurroten Früchten
heran, die noch vom Kochen dampften. Mit einem abgenutzten Messer aus einem Holzblock auf dem Tisch schnitt sie geschickt
die Frucht auf und entfernte einen flachen Kern, der tiefrot glänzte. Dann legte sie ihre warme Hand über meine und zeigte
mir die rasche Drehbewegung, mit der ich den Kern in winzige Stücke hacken sollte.
»So«, sagte sie freundlich und ließ ihre Hand auf meiner liegen. »Du hast Glück, weißt du. Herzbrot gehört zu den berühmten
Spezialitäten von Brotmeister Pluton. Erlässt selten einen Außenseiter bei der Zubereitung helfen und ganz bestimmt erlaubt er ihm nicht die nötigen Kerne zu hacken.«
Sie lächelte hinreißend. »An dir muss etwas Besonderes sein.«
Mit leichtem Druck ließ sie meine Hand los. »Ich komme zurück und schaue, wie du vorankommst.« Im Weggehen deutete sie auf
meinen Stock, den ich an den Tisch gelehnt hatte. »Dein Stock wird gleich fallen. Soll ich ihn für dich in Sicherheit bringen?«
Ein Frösteln überlief mich, ich wusste nicht, warum. Schließlich versuchte sie mir nur zu helfen. »Nein, danke«, antwortete
ich. »Hier steht er gut.«
»Oh, aber ich möchte nicht, dass er beschädigt wird. Er ist so . . . hübsch.«
Sie streckte die Hand nach ihm aus. In diesem Moment stieß die ältere Frau mit dem Knie an den Tisch. Der Stock rutschte seitlich
die Kante entlang und fiel gegen meine Hüfte. Ich ergriff ihn und schob ihn in den Gürtel.
»So«, sagte ich zu Nimue. »Jetzt ist er in Sicherheit.«
Einen kurzen Augenblick schienen ihre Augen zornig zu blitzen, aber der freundliche Blick kam so schnell wieder, dass ich
mir nicht sicher war. Jedenfalls drehte sie sich rasch um und ging davon. Nach ein paar Schritten schaute sie zurück und lächelte.
Ich konnte nicht anders als zurücklächeln. Dann wandte ich mich wieder
Weitere Kostenlose Bücher