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Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit

Titel: Merlin und die sieben Schritte zur Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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weiter wach und wälzte
     mich auf dem Felsen hin und her. Eine Zeit lang betrachtete ich den Westhimmel und erinnerte mich an Gwri mit den goldenen
     Haaren, doch meistens starrte ich den gespenstischen Rest der abnehmenden Mondsichel über unseren Köpfen an. Am Morgen würden
     uns höchstens noch zwei Tage bleiben.
    Die ganze Nacht fröstelte ich in der kalten Luft auf diesen baumlosen Hügeln. Und beim Gedanken an das gnadenlose Auge, dessen
     Blick schon den Tod bedeutete. Das Bild, das ich im See des Gesichts gesehen hatte, verfolgte mich. Wenn ich eindöste, schlief
     ich unruhig und schlug um mich.
    Ich erwachte, als die ersten Lichtstrahlen den steinbedeckten Hang berührten. Keine zwitschernden Vögel, keine huschenden
     Tiere begrüßten dieses Morgengrauen. Nur der Wind heulte in langen Böen über die Gipfel. Steif streckte ich mich, die Stelle
     zwischen meinen Schultern schmerzte heftig. Ich beugte mich zu dem klaren Becken, das jetzt von einem zarten Eiskragen umrandet
     war, und trank zum letzten Mal.
    Frierend, hungrig und verbissen machten wir uns auf den Weg. Rhia schritt ernst über die spitzen Steine, ihre Rindenschuhe
     waren von Holzkohle geschwärzt. Wortlosführte sie uns dem Sonnenaufgang zu. Doch keiner von uns blieb stehen und freute sich an den rosa und orangen Bändern, die
     sich über den Horizont zogen. In Gedanken versunken zogen wir schweigend weiter. Mehrmals glitten lose Steine unter meinen
     Füßen weg und ließen mich zurückrutschen. Einmal stürzte ich und schlug mir das Kinn an einem Felsen auf.
    Spät am Morgen, als wir den Gipfel eines anderen Hangs erreichten, ging Rhia langsamer. Dann blieb sie stehen und schaute
     mich besorgt an. Wortlos hob sie den Arm und deutete auf den nächsten Kamm. Ein tiefer Einschnitt spaltete den Hügel, es sah
     aus, als hätte ein mythisches Untier vor langer Zeit dort hineingebissen und die Steine weggerissen. Ich starrte diesen Einschnitt
     an und er schien zurückzustarren.
    Ich kaute auf meiner Lippe. Bestimmt stand der Andersweltschacht an dieser Stelle. Warum war der mächtige Dagda nicht einfach
     aus der Höhe herabgestiegen und hatte Balor niedergeschlagen? Sicher hätte er das als größter aller Krieger leicht tun können.
     Vielleicht war Dagda ganz damit beschäftigt, Rhita Gawr zu bekämpfen. Oder vielleicht wollte er nicht, dass Sterbliche, aus
     welchem Grund auch immer, die Anderswelt betraten.
    Ich ging voraus. Rhia blieb so dicht hinter mir, dass ich ihr ängstliches Atmen hören konnte. Wir stiegen hinunter ins nächste
     verkohlte Tal und ich suchte den Schutt nach irgendetwas Grünem, Lebendigem ab. Doch hier sprudelte keine Quelle, kein Moos
     füllte die Spalten. Kahl lagen die Felsen da, hoffnungslos wie mein Herz.
    Langsam stiegen wir zu dem großen Einschnitt. Als wir endlich an seinem Rand waren, packte Rhia meinenÄrmel. Ein paar Sekunden lang schaute sie mich forschend an. Dann sprach sie flüsternd die ersten Worte des Tages.
    »Das Auge. Du darfst ihm nicht ins Auge schauen.«
    Ich fasste den Griff meines Schwerts. »Ich werde mein Bestes tun.«
    »Merlin, ich wünschte, wir hätten ein bisschen mehr . . . Zeit gehabt. Um gemeinsame Tage zu erleben. Und Geheimnisse zu teilen.«
    Ich runzelte die Stirn, ich wusste nicht, was sie meinte. Aber jetzt hatte ich keine Zeit, es herauszubekommen. Ich biss die
     Zähne zusammen und reichte ihr meinen Stock. Dann ging ich in den Einschnitt.
    Als ich zwischen die dunklen Klippen trat, die zu beiden Seiten steil hochstiegen, kam ich mir vor, als würde ich in das offene
     Maul einer Bestie gehen. Felsspitzen, gezackt wie die Drachenzähne, sprangen aus den Klippenrändern hervor. Ein kalter Wind
     schlug mir ins Gesicht und heulte in meinen Ohren. Während ich tiefer in den Einschnitt ging, zitterte die Luft drohend, als
     würde sie von Schritten erschüttert, die ich weder sehen noch hören konnte.
    Doch sonst fand ich nichts. Bis auf die zerklüfteten schwarzen Felsen, die im Morgenlicht glänzten, schien diese Schlucht
     völlig leer zu sein. Kein Balor. Kein Treppenschacht. Kein Zeichen irgendeines lebenden Wesens – oder eines toten.
    Ich glaubte, ich hätte etwas übersehen, und wollte schon umkehren, da peitschte mich plötzlich wieder der Wind. Die Luft vor
     mir wurde dunkel, dann zitterte sie. Doch diesmal teilte sie sich wie ein unsichtbarer Vorhang.Und aus der Luft trat ein riesiger muskulöser Krieger, mindestens doppelt so groß wie ich.
    Balor! Wie er

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