Merlins Drache 03 - Die Schlacht der endlosen Feuer
nicht gerecht, oder?«
Marnya hob die Flosse und berührte mit der Schwimmhaut seine große Stirn. Sie streichelte seine Schuppen und sagte leise: »Nicht jede Kraft wird nach brutaler Stärke bemessen, mein Liebster. Manchmal kann ein kleiner Duft die Stimmung heben – und auch das könnte auf seine Weise die Welt verändern.«
Basilgarrads Augen leuchteten dankbar. Während er schwieg, überraschte es Marnya nicht, dass im nächsten Moment der Fliederduft plötzlich verschwand. An seiner Stelle zog ein neues Aroma durch die Luft – der unverwechselbare würzige Duft der See.
»Der Ozean«, sagte sie mit einem verträumten Seufzer.
»Nicht irgendein Ozean«, bemerkte der grüne Drache. »Kannst du die Algen in Regenbogenfarben und den kiemenkitzelnden Tang riechen? Das, Marnya, findet man nur an einem Ort. Stimmt’s?«
Sie nickte und ließ die Schuppen ihrer Nase im Sternenlicht glitzern. »Die Regenbogenmeere. Meine Heimat.«
Im schwachen Licht der Sterne droben schauten sie einander einen langen Moment an. Keinem von ihnen kam der Gedanke, wie seltsam es war, den salzigen |160| Geruch dieser farbenfrohen Gewässer hier, in einer fernen Wüste zu riechen, wo jeder Regenbogen von der nächtlichen Finsternis überwältigt würde. Wichtig war nur, dass sie wenigstens in diesem Moment zusammen waren.
Merlin hörte auf, hin und her zu gehen. Seine Stimme klang wehmütig, als er sagte: »Einmal, vor langer Zeit, scheint mir … dass ich jemanden so angeschaut habe.« Er schluckte. »Und ich habe sie zu früh verloren.«
Marnya wandte ihm ihr elegantes, blau getöntes Gesicht zu. »Hallia«, sagte sie sanft. »Hast du gewusst, dass sie in der Drachenüberlieferung verehrt wird? Als die Einzige ihrer Art, die je einen Drachen von Kindheit an erzogen hat?«
»Meine Mutter!«, kreischte Ganta aufgeregt. Er schlug mit dem kleinen Schwanz auf Basilgarrads Schnauze. »Du sprichst von ihr.«
»Das stimmt«, sagte Merlin. »Hallia hat deine Mutter, Gwynnia, mit der ganzen Zuneigung und Sorgfalt aufgezogen, die sie unserem eigenen Sohn schenkte, Kry …«, Er unterbrach sich und kniff die Lippen zusammen. »Einem anderen, den sie liebte.«
Basilgarrads langer Hals zitterte, als er ein tiefes Knurren von sich gab. »Krystallus, der Forschungsreisende, ist immer noch dein Sohn. In mehr Beziehungen als du weißt – oder zugibst.«
Obwohl er Merlins gesenktes Gesicht im Dunkeln |161| nicht sehen konnte, zweifelte der Drache nicht, dass sein alter Freund finster dreinschaute.
»Vielleicht«, schlug Basilgarrad vor, »ist für dich die Zeit gekommen, ihn wieder zu treffen. Ein frischer Start für euch beide. In eine neue Zukunft.«
Merlin hob langsam den Kopf. »Vielleicht. Aber ich bezweifle, dass er das jemals geschehen lassen würde. Nicht nachdem …«
Seine Worte wurden immer leiser und gingen schließlich im Pfeifen des Wüstenwindes über der Sanddüne unter. »Außerdem, Basil, weißt du so gut wie ich, dass keiner von uns eine neue Zukunft haben wird, wenn wir nicht irgendwie dieses Ungeheuer im Moor bezwingen.«
Tiefe Falten zogen sich über die Stirn des Zauberers und verschwanden in dem wilden weißen Haar, das unter seiner Hutkrempe hervorkam. »Und statt der Hoffnung und Zuversicht, die ich jetzt gern empfinden würde, fühle ich nichts als … Zweifel. Tiefe, schmerzhafte Zweifel.«
»Warte!«, donnerte Basilgarrad und hob den riesigen Kopf vom Sand. »Das könnte die Antwort sein.«
»Worauf?«, fragten Merlin und Marnya gleichzeitig.
»Auf deine Frage nach dem Ursprung seiner Kraft.« Die Augen des Drachen leuchteten so hell, als würden sie brennen. »Es fing an als Egel, erinnerst du dich? Ein widerliches kleines Biest, das davon lebte, anderen Geschöpfen das Blut auszusaugen. |162| Dann wurde es viel größer – und dunkler –, weil es etwas anderes saugte. Eine andere Art Nahrung.«
Ratlos legte Merlin den Kopf schief. »Ich kann dir nicht folgen.«
Der Drache schob sein Gesicht näher an ihn heran, sodass seine große Unterlippe Merlin fast berührte. »Wie wäre es, wenn er eine Möglichkeit gefunden hätte, statt Blut Schmerz und Sorge zu trinken? Wenn seine Kraft aus dem Leid käme? Aus jeder Art negativer Energie?«
Merlin streckte den Rücken gerade. Im grünen Schein der Drachenaugen nickte er. »Dann wären alle diese Jahre brutaler Schlachten in Avalon – der ganze Krieg der Stürme – mehr als nur eine Störung. Mehr als nur eine Methode, dich so zu
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