Merry Christmas, Holly Wood
dass William das tun würde. Logans verzogenem Gesicht nach zu urteilen, hatte er dasselbe gedacht und schien sichtlich genervt von diesem Vorschlag.
„Ich will dir nicht deine Zeit stehlen“, sagte sie entschuldigend zu ihm.
„Ach was, Logan hilft dir gerne“, widersprach Deb sofort.
„Na gut. Ich habe aber noch einen Auftrag, an dem ich später weiterarbeiten muss“, sagte Logan.
„Dazu wirst du auch noch kommen, mein Junge. Zuerst aber gehst du mit Holly ihren Wagen suchen. Wir können sie doch nicht allein im Schnee umherirren lassen. Und sie wird dich auch brauchen, um ihr Gepäck zu tragen, wenn ihr es dann gefunden habt.“
Logan stand auf, wischte sich mit der Serviette den Mund ab und stellte seinen Teller neben die Spüle. „Danke, Mom, für das tolle Frühstück. Es war sehr lecker!“ Er gab seiner Mutter einen kleinen Kuss auf die Wange, was Holly unglaublich süß fand.
„Bist ein guter Junge. Nimmst du bitte auf dem Weg noch die beiden Töpfe für Mr. Hendrix und Pearl mit?“
„Aber natürlich.“ Er nahm sie entgegen.
„Die Armen haben sicher seit gestern nichts Warmes in den Magen bekommen. Aber jetzt, da der Strom wieder da ist, können sie sich den Eintopf erhitzen.“
Holly hatte einen dicken Kloß im Hals. Wie konnte es nur so liebevolle, fürsorgliche Menschen geben? Wie konnte nur ausgerechnet sie bei ihnen gelandet sein? Doch sie war in Loveland, da stand wohl die Liebe an der Tagesordnung.
Sie folgte Logan in den Flur und sah ihm dabei zu, wie er sich eine dicke blaue Jacke über das Fleecehemd zog und in hellbraune Holzfällerschuhe schlüpfte. Er sah sich nicht einmal nach ihr um, so, als wäre sie gar nicht da.
Sie wollte gerade ihre Stiefel anziehen, als Deb schon um die Ecke kam. „Nun sei nicht albern, Holly, in diesen Schuhen wirst du nicht weit kommen. Es wundert mich, dass dir nicht schon gestern die Absätze abgebrochen sind. Außerdem wirst du dich in den dünnen Dingern nur noch mehr erkälten.“ Sie bückte sich und holte ein paar dicke warme Stiefel aus dem Schrank, die sie ihr überreichte. „Hier, probiere die an. Wir müssten ungefähr dieselbe Größe haben.“
Holly tat, wie ihr geheißen und sie passten tatsächlich haargenau. Wie ungewohnt. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal flache Schuhe angehabt hatte, außer beim Joggen natürlich.
Sie zog ihren Mantel über den dicken Strickpulli und konnte sich kaum noch rühren. Sie traute sich nicht so wirklich aus dem Haus. Doch sie wollte nicht nur unbedingt endlich an ihre Sachen, sie wollte auch wissen, was es mit den Töpfen auf sich hatte und wo Logan sie hinbringen würde.
4. Kapitel
Sobald sie einen Fuß vor die Tür gesetzt hatten, spürte Holly die unglaubliche Kälte. Es war komischerweise eine andere Kälte als die in New York. Dort war man immer in Eile und so abgehetzt, dass einem selbst bei Minusgraden heiß wurde. Hier allerdings, mit absolut nichts zu tun und viel zu viel Zeit zum Nachdenken – über sich selbst und die Menschen, die man hinter sich gelassen hatte –, erschien ihr alles in einem anderen, völlig neuen Licht. Es kam ihr so vor, als wären einhundert Jahre vergangen, dass sie einfach nur den Augenblick gelebt hatte, ohne den nächsten Termin zu planen oder sich den letzten noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, ohne über die nächste Kolumne nachzudenken oder sich über irgendeine Falschaussage in den Medien zu ärgern.
Wo waren nur die letzten drei Jahre geblieben? Klar, sie hatten sie zum Erfolg geführt – sie war endlich Jemand, aber hatten sie sie menschlich weitergebracht? Hatte sie irgendetwas Tiefgründiges dazugelernt? Nein, alles, was sie gelernt hatte, hatte mit Klamotten-Stilen, Nagellackfarben oder Party-Utensilien zu tun. Was war nur aus ihr geworden? Als sie damals Fort Collins, ihre Eltern, ihre Freunde und alles, was sie kannte, verlassen hatte, war sie sich so sicher gewesen, dass alles besser werden würde. Sie war mit dem Ziel gegangen, als Niemand zu gehen und als Jemand wiederzukommen. Nur war sie nicht wiedergekommen.
Sie hatte, sobald sie das Flugzeug nach New York bestiegen hatte, all ihre Versprechen vergessen und keines davon eingehalten. Die versprochenen Familienbesuche zu Feiertagen, das Versprechen, ihre beste Freundin Marcy nach New York zu holen und ihr all die umwerfenden Orte zu zeigen. Sie hatte sich seit einer Ewigkeit nicht mehr bei Marcy gemeldet.
Holly Wood war ein egoistischer,
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