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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Der Zug erreichte den höchsten Paß und schwang sich auf der anderen Seite im Zickzack hinab. Uns voraus lagen tief drunten die Inseln vor dem South Foreland – Nomansland die nächstgelegene und größte. Umgeben waren sie von schneeweißer Gischt in einer schwarzen See. Die Gischt blitzte auf zwischen Baumstämmen, steilen Felsauswüchsen, den Giebeln alter Jagdhütten und verschwand dann, als der Zug weiter hinabstieg.
    Am Bahnhof wartete ein Bus, der mich über die Brücke zur Insel bringen sollte. Die Stadt auf dem Festland, ein altes Fischerdorf, blühte und gedieh jetzt, nachdem die Anlage der Meeresenge die harte körperliche Arbeit auf Frauenmaße herabgeschraubt hatte, und Fraueninitiativen hatten internationale Übereinkünfte erwirkt, nach denen die Fischbestände in den nördlichen Meeren wieder aufgestockt werden konnten. Die Straßendecken der Stadt wurden jetzt geheizt und trocken gehalten, und mein Bus kam an einem riesigen, überdachten Sportstadion mit Schwimmbad vorüber, das bei meinem letzten Besuch noch nicht dort gewesen war. Der Bevölkerungsrückgang hatte den Mannschaftssportarten schwere Zeiten beschert, aber Einzelwettbewerbe standen so hoch im Kurs wie eh und je.
    Nomansland war die einzige Insel, die noch immer mit South Foreland durch eine Brücke verbunden und bewohnt war. Weltweit sinkende Bevölkerungsraten hatten die anderen Inseln entvölkert. Als meine Großmutter zum erstenmal nach Nomansland gekommen war – damals hieß es Pakke –, gab es dort Farmen, ein großes, privates Internat sowie ein ganzjährig bewohntes Dorf. Jetzt war nur noch die Schule verblieben. Man hatte sie ausgebaut, so daß sie einer Anzahl von neunzig Personen, Nonnen wie auch Mädchen und Schulpersonal, genügte.
    Der Bus setzte mich draußen vor den Klostertoren ab, an der Kehre auf der Klippenspitze am Ende der Insel und der kilometerlangen Brücke. Ich war einziger Fahrgast gewesen, und als der Bus wieder zum Festland zurückfuhr, blieb ich einen Augenblick lang auf dem gemeißelten rotschwarzen Fels der Fahrbahn stehen, benommen von der Stille, während es in meinen Beinen noch immer von den Rädern und dem Motorgeräusch summte. Nur der Wind tönte mir zischend in den Ohren, sowie die leisen Geräusche der See auf dem Fels tief unten. Winterliches Sonnenlicht schien durch die Wolken, hob das Weiß der wie ein Pfeil wirkenden Brücke und das Orange des Busses, klein wie ein Punkt, scharf hervor, während er ins Unsichtbare entschwand.
    Ich wandte mich den Toren des Klosters zu. Sie bestanden aus Riffelglas in schmalen Rahmen und waren von innen erleuchtet, so daß an einem grauen Tag wie diesem der Bogengang in der hohen Wand der Schule Willkommen verheißend wirkte – trotz der bedrückenden Inschrift Nomansland, die darüber eingemeißelt war. Und jenseits, oberhalb der Mauer, ragten drohend die Dächer und Türmchen des alten Klostergebäudes auf, einstmals eine sommerliche Zufluchtsstätte der königlichen Familie. Die Tore mochten zerbrechlich und nutzlos erscheinen, aber dank der modernen Materialien und moderner Elektronik waren sie gewiß keins von beidem. Nicht, daß sie sehr vieles hätten draußen halten müssen – und drinnen hielten sie lediglich die wenigen Schülerinnen, die geil genug waren, den langen Fußmarsch zum Festland (kein Busfahrer würde sie mitnehmen) und zu den groben und bereiten, allzu groben und allzu bereiten, Liebhabern auf sich zu nehmen, die sie dort finden würden. Nein, die Funktion der Tore paßte zu den darüber eingemeißelten Buchstaben, bestätigten diese. Nomansland: Gott die Mutter war in Ihrem Himmel, und die Welt war völlig in Ordnung.
    Warum dann wollte ich Anna hierher schicken, ich, die ich keines dieser Angebote akzeptierte? Ich zuckte die Achseln. Weil ich, verdammt noch mal, keine andere Alternative hatte.
    Ich trat vor. Bei meinem letzten Besuch bei Mama hatte sich eine kleine Pforte automatisch bei meiner Annäherung geöffnet, und eine Stimme vom Band hatte mich hineingebeten zu einer vierschrötigen Nonne hinter einem Schalter. Als ich heute an den Toren ankam, geschah gar nichts. Die Pforte war noch immer vorhanden, und daneben befand sich jetzt ein diskreter kleiner Klingelknopf. Ich drückte darauf. Nach einer angemessenen Pause wurde das Tor von einer hübschen, eindeutig nicht vierschrötigen Nonne geöffnet. Die Klosterpolitik war eine andere geworden. Kein Blenden mehr mit Wissenschaft. Technik war ›out‹, das menschliche Gesicht

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