Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
Sie saß am Fenster und
blickte hinaus.
    »Ich hasse Männer.«
    »Was?« Ich war gerade bei der Planung des Morgens im
Institut gewesen und sah gerade rechtzeitig auf, um einen
Zeitungskiosk mit einer Schlagzeile zu erblicken, die den Mord an
Janni Wintermann hinausposaunte. »Das ist dumm, Anna. Einfach
weil…«
    »Das ist nicht dumm. Hast du je von einem weiblichen
Serienmörder gehört?«
    Ich dachte darüber nach. »Lucrezia Borgia? Nein –
ihre Gründe waren zumeist politischer Art.«
    »Genau das meine ich. Nur bei Männern gibt es diese Sex-
und Gewaltseite.«
    Wie ich zugeben mußte, fiel mir die Vorstellung schwer,
daß eine Frau einfach um des Kicks willen tötete.
    »Hormos hasse ich auch, Mama.«
    »Heute morgen haßt du eine Menge. Ich dachte, ich hätte meine Tage.«
    »Ich hasse sie wirklich. Da sind ein paar in meiner Klasse.
Brummstimmen. Haare auf der Brust. Bei ihrem Anblick läuft es
mir kalt den Rücken hinunter.«
    »Das trifft es eher. Du haßt sie nicht – du
fürchtest dich vor ihnen.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    Ich seufzte. »Manchmal bist zu einfach zu pfiffig fürs
Leben.« Die Straßenbahn rollte weiter. Ich wandte mich
Anna zu: ich war gerade dabei, eine Fernsehsendung über Hormos
zu produzieren, und meine klinische Neugier war entfacht.
    »Erzähl mir also was über diese Hormos. Ernstlich
– wie kriegen sie das hin?«
    »Sie müssen sich zum Pissen noch immer hinhocken, wenn
du das meinst.«
    »Ich habe eher an ihr Identitätsgefühl gedacht.
Hormonbehandlung muß zu Orientierungsschwierigkeiten
führen… Als was sehen sie die anderen Mädchen an? Als
was sehen sie sich selbst?«
    »Sie halten sich für die Größten.«
    Das bezweifelte ich. »Treffen sie sich mit wem?«
    »Für irgendwelchen Sex, meinst du? Die meisten anderen
Mädchen finden sie grob. Es muß für sie wirklich
ziemlich scheußlich sein.«
    Das lag außerhalb meines Gebiets, aber genau das hatte ich
befürchtet. Vielleicht hätte es da irgendeine gesetzliche
Grundlage geben sollen. Aber wenn Eltern wirklich glaubten, ihre
Kinder würden in dieser traurigen alten Welt dadurch einen
Vorteil erlangen, daß sie irgendeinen Cocktail auf
Testosteron-Basis schluckten, dann gäbe es stets Ärzte, die
ihnen so etwas beschaffen würden. Und als Wissenschaftlerin war
ich gegen eine Einmischung der Regierung auf Gebieten, die
grundlegende Angelegenheiten des individuellen Bewußtseins
darstellen.
    »Auch keine Lorbeeren beim Sport, nehme ich an?«
    Anna schüttelte den Kopf. »Nicht, seitdem das olympische
Komitee sie ausgegliedert hat. Sie sind einfach völlig unter
sich. Ich meine, wen kümmert’s? Wie ich gesagt habe, Mama,
es ist ziemlich scheußlich.«
    Warum also der Haß/die Furcht? Ich stellte diese
naheliegende Frage nicht. Sich langweilende Mütter müssen
wissen, wann sie aufhören müssen.
    Und abgesehen davon war ich mir selbst wegen der Hormos nicht im
klaren. Selbst der homo super-sapiens hatte Schwierigkeiten
mit dem Fremdartigen.
    Am Institut warteten zwei weitere mit den Füßen
stampfende Reporter. Andere Fragen – wußte ich, daß
das Gerücht umging, Unikhem stehe nahe vor einer Heilbehandlung,
und was ich dabei empfinden würde, wenn sie mich auf der
Zielgerade abfingen –, jedoch dieselben wenig hilfreichen
Antworten. Und dieselbe fehlende allgemeine Begeisterung. Es war eine
Story, die, Gott sei Dank, kaum geboren, schon gestorben war.
    Ich führte Anna in der Klinik herum. Samstage produzierten
eine Flut von Spendern, zumeist Frauen, die nur am Wochenende
abkömmlich waren. In keinem medizinischen Sinne wurde ich
benötigt – Karens Leute wußten, was sie taten –,
aber ein Besuch der Leitung machte sich gut, Spender und Personal
fühlten sich gebauchpinselt. Und ich war oft genug im Fernsehen,
daß mich die meisten Spender ohne großartige Vorstellung
meinerseits erkannten. Anna war natürlich ein Aktivposten. Ein
wenig von meinem Ruhm fiel auf sie ab, und sie blühte auf, und
ein wenig von ihrer Ausstrahlung fiel auf mich zurück, und ich
blühte auf.
    Vielleicht eine Stunde lang taten wir unserer Pflicht genüge
und zogen uns dann in mein Büro zurück. Ich entschuldige
mich nicht für diese Worte: wenn die Leute Helden brauchen, ist
es mir lieber, es sind Wissenschaftler und keine Soldaten oder
Popsänger. Ich rief eine Liste von Computer-Files auf, setzte
Anna daran, die wesentlichen davon ausdrucken zu lassen, und
ließ mich an meinem Schreibtisch nieder, um die Gedanken in
Ordnung

Weitere Kostenlose Bücher