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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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dem
menschlichen Programm gesagt haben, hat das für mich nach
Beschäftigungstherapie geklungen.«
    »Beschäftigungstherapie?« Wie recht er hatte.
»Da sollten Sie mich eigentlich besser kennen.«
    »Ich kenne Sie besser. Darum gefallen mir Ihre Gründe
für die geänderten Kombinationen auch gar nicht.« Er
blickte Anna erneut an. »Vielleicht möchten Sie nicht
darüber reden.«
    »Vielleicht.«
    Ich wollte es nicht. Jedoch nicht wegen Anna. Ich sah ihn an, sein
freundliches, kluges Gesicht, die weit auseinanderstehenden Augen,
die ich stets mit Ehrlichkeit in Verbindung gebracht hatte. Warum log
ich ihn an? Wenn er der Schuldige meines Teams wäre, hätte
er die Wahrheit sowieso erraten. Und falls er unschuldig war, welchen
Schaden könnte die Wahrheit anrichten? Und welches mögliche
Motiv überhaupt konnte Dr. Gustav Polder dafür haben,
daß er mit geklauten Papieren herumschlich? Welches Motiv
konnten sie alle haben?
    Geld? Die Möglichkeit geheimer Laster außer acht
gelassen – dafür kannte ich meine Leute zu gut und
ließ sie zu hart arbeiten, als daß ihnen genügend
Energien für solchen Luxus geblieben wären – war
unsere Virologin Liesl Wronowicz das einzige Mitglied unseres Teams,
das vielleicht Schwierigkeiten dabei hätte, mit dem Gehalt
auszukommen, das die Abteilung zahlte. Wie viele andere in jenen
Tagen war sie Elternteil – nicht lesbisch, und sie teilte sich
die Erziehung ihrer IVF-Tochter wie in einer Ehe mit einer weiteren
Frau –, und die andere Frau war krank geworden, also mußte
sie die Rechnungen sowohl für sie als auch für Pflege und
Erziehung ihres Kinds bezahlen. Aber ich konnte mir eine Liesl nicht
vorstellen, die, mit heimlichen Blicken über die Schulter,
meinen Safe ausraubte.
    Ein Loyalitätskonflikt? Mit wem, um Himmels willen –
einem anderen Land? Sie waren Wissenschaftler, jeder einzelne von
ihnen: ich konnte mir nicht vorstellen, daß Nationalismus in
ihrer Ikonographie einen großen Anteil ausmachte.
    Nein, das wahrscheinlichste Motiv war Erpressung. Die
Permutationen hierbei waren untergründig und widerlich, und
falls diese Situation hier vorlag, fühlte ich mit dem
Betroffenen, und ich wollte es gar nicht wissen.
    Aber ich durfte mit meinem Mißtrauen ihnen gegenüber
nicht einfach weitermachen. Ich hatte alles falsch angefaßt.
Lügen erzeugen Lügen; Offenheit erzeugt Offenheit.
    »Ich werd’s Ihnen am Montag erzählen«, sagte
ich. »Montag werde ich alles sagen.«
    Er trat weiter ins Büro. »Sie sind in
Schwierigkeiten«, meinte er. »Armer Boss.«
    Ich fühlte Traurigkeit, denn das war eine traurige Sache, und
er war so lieb, daß ich ihn hätte küssen mögen,
wenn Anna nicht dort gewesen wäre und alle möglichen
falschen Schlußfolgerungen gezogen hätte.
    Aber sie war dort, war mit ihren Papieren durch und
fühlte sich offensichtlich übergangen, während sie
mitleiderregend zu ihm aufsah. »Auch armes Ich, bitte, Sir. Ich
bin am Verhungern. Ich bekomme nie ein anständiges
Frühstück. Meine Mutter ist immerzu damit beschäftigt,
sich die Zehennägel und Augenlider anzumalen und so
was.«
    Gusso ging auf sie ein. Er hatte selbst drei Töchter.
»Das wird Elternvorrecht genannt, Junior-Boss. Nach
zwanzigtausend Jahren mit anständigen Frühstücken
können die Mütter wenigstens…«
    Ein Mann hinter ihm räusperte sich und klopfte an die offene
Tür. Es war der NatSich-Wächter von der Rezeption.
    »Sergeant Milhaus, für Sie, Dr. Kahn-Ryder.« Er
beugte sich vor und senkte die Stimme. »Spezialeinheit der
Polizei…«
    Jäh. Ein Alptraum. Sie stand dicht hinter ihm, heute in
Uniform, die Polizistenmütze fesch unter einen grünblauen
Arm gesteckt. Sie ging an dem NatSich-Wächter und an Gusso
vorbei in mein Büro. Mein Büro.
    »Morgen, Dr. Ryder. Entschuldigung, wenn ich hier so
hereinplatze. Werd Sie nicht lange aufhalten. Dies ist ganz und gar
eine Routineangelegenheit.«
    Ihr Gehabe war pompös und geschmacklos, und ich glaubte nicht
an ihre Routineangelegenheit. Waren wir dabei, den Donnerstag
anzuerkennen? Anna war zurückgewichen, hatte sich zu mir hinter
den Schreibtisch begeben.
    Sergeant Milhaus lächelte. Sie sprach über Gusso zu mir,
wobei sie ihn von oben bis unten musterte. »Eine vertrauliche
Angelegenheit, Dr. Ryder.«
    O nein. Der Wächter war verschwunden, vermutlich zur
Rezeption zurückgekehrt. Gusso mochte ich nicht auch noch
verlieren. »Professor Polder ist meine rechte Hand, Sergeant.
Wir haben keine Geheimnisse.«
    »Wie

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