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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Frauen. Er hatte weit auseinanderstehende
Augen und ein freundliches Gesicht, und er war mein engster
Mitarbeiter.
    Dann Maggi Frik? Meine Sekretärin war einfach nicht schlau
genug, um so verschlagen zu sein. Und sie und ihre Geliebte waren
ziemlich linkslastig und haßten alles, wofür Unikhem
stand.
    Natalya Volkov? Meine Projektdirektorin war durch und durch
ehrenhaft. Auch war ihr Gatte Michael angesehen und erfolgreich, und
sie würde das Geld auf keinen Fall brauchen.
    Karen Bakst? Meine Klinikmanagerin sorgte sich lediglich um ihre
Patienten.
    Liesl Wronowicz? Meine Virologin war vor allem Perfektionistin,
sowohl bei ihrer Arbeit als auch sicherlich in ihrem Umgang mit
mir.
    Damit war mein Team vollständig, und keiner von ihnen war ein
Dieb. Womit nur der freundliche Gusso übrigblieb, und ich hatte
ihn außen vor gelassen. Er hatte keine betrügerische
Natur.
    Daher würde es für mich ein schwieriger Tag im Institut
werden. Anna wäre in der Schule und bei der Klavierstunde. Mark
und Yvette wären am Nachmittag weg; und das Abendessen wäre
spät. Ich schlug ein Menü vor, und niemand widersprach. Wer
als erster heimkäme, würde es herausholen und
zubereiten.
    Anna und ich verließen gemeinsam das Haus. Sie ging zur
Schule, ich ins Institut. Keine wartenden Reporter: als Story war ich
im Augenblick gestorben.
    Während ich mit Anna im Wartehäuschen stand, wurde ich
an unser Gespräch vom Samstag erinnert. Ich hatte ihr gesagt, es
sei einfach, Männer zu hassen. Für einige von uns war es
ebenfalls einfach, Männer zu lieben. Vor langer Zeit hatte
Julius Stollman mich gefragt, ob ich junge Männer schön
fände. Ich hatte irgend etwas Klugscheißerisches zur
Antwort gegeben – ich entsann mich nicht, was, aber ich war
schon immer ein klugscheißerndes Kind gewesen –, doch Anna
wuchs in einer Welt auf, zu der die Frage nicht paßte. Wenn
meine Therapie erfolgreich war und sie einen Sohn hätte, wie
würde sie mit ihm umgehen?
    »Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast, Anna.
Über Männer, Sex und Gewalt.«
    »Mensch, Mama – warum denn das?«
    Ich sagte es ihr nicht. »Ich möchte dich an weibliche
Folterer erinnern. Brutale Wärterinnen. Frauen können
ebenfalls gewalttätig sein.«
    »Das sind Männer. Sieh dir doch diese schreckliche
Sergeant Milhaus mit ihrem kleinen Stöckchen an. Sie ist ein
Mann.«
    »Na gut. Sieh dir deinen Vater an. Er hat kein
Stöckchen. Ist er eine Frau?«
    »Natürlich nicht.« Sie runzelte die Stirn.
»Nun, vielleicht… Es hängt davon ab, was man meint
mit… Oh, ich weiß es nicht.«
    »Ich weiß es auch nicht. Aber ich mag keine
Etiketten.«
    Sie drückte die Fiberglasschultasche an die Brust und
ließ das Kinn nachdenklich obendrauf ruhen. Das
Wartehäuschen quietschte unter den Windstößen.
    Sie begann langsam. »Die Sache mit Papa ist… die Sache
mit ihm ist, daß er nicht so groß und wichtig wie du ist,
aber das macht ihm nichts aus, und er unterstützt uns, und das
macht ihn vielleicht größer.«
    Ich blickte sie scharf an. Es war eine Bemerkung mit eigenem
Willen, etwas, das sie vielleicht schon seit langer Zeit hatte sagen
wollen. Größer? Ich hatte Mark niemals unter dem Aspekt
vergleichsweiser Wichtigkeit betrachtet. Vielleicht hätte ich es
tun sollen. Wenn Annie es tat, tat er es womöglich auch.
    Etwas anderes wurde mir klarer. Wo ein Beobachter
›diktatorische Methoden‹ sah, sah ein anderer Beobachter
›Unterstützung‹.
    Ihre Straßenbahn kam den Hügel herab. Sie fuhr in die
Stadt, wo ihre Schule lag. Meine Bahn kam später und fuhr
über die Ringstraße zum Institut.
    »Du hast mich abgelenkt, Annie. Ich hatte an meinen Impfstoff
gedacht. Wenn er anschlägt, werden Millionen kleiner Jungen
überall in der Welt ohne Männer in ihrer Umgebung
aufwachsen. Jemand wird sich für sie einsetzen müssen.
Für ihr Mann-Sein.«
    Die Straßenbahn kam heran. Annas Freundin Jessica Simpson
von weiter oben an der Straße winkte an einem Fenster. Anna
küßte mich auf die Wange.
    »Tschüs, Mama. Ich werde mich fürs Papa-Sein
einsetzen, wenn du das meinst. Wenn ich mir jedoch die Geschichte
betrachte, fühle ich mich unter Frauen sicherer.«
    Die Türen der Straßenbahn öffneten sich, und Anna
war verschwunden. Sie hatte ihren jugendlichen Chauvinismus bei mir
zurückgelassen wie die leichte Feuchtigkeit auf meiner Wange von
ihrem Kuß. Sie fühlte sich jetzt kühl im Wind an. Da
ich eine aufgeklärte Dame war, wischte ich sie ab.

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