Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
schon auf dem Revier liegt? Er war in ihrer Handtasche und diente ihr als Einkaufszettel! Kommen Sie …« Markby hielt inne. Von unten erklang ein Klappern und ein leises Aufstöhnen.
»Jemand ist im Laden!«, zischte Pearce.
»Ich habe die Vordertür wieder abgeschlossen! Wie …?« Markby bedeutete ihm zu schweigen, und sie warteten, während vorsichtige Schritte die Treppe hinaufkamen. KAPITEL 6 Die Tür öffnete sich knarrend ein paar Zentimeter.
»Hallo? Wer ist da drin?«, fragte eine bebende Stimme.
»Die Polizei, Ma’am«, antwortete Markby in seinem väterlichsten Tonfall. Pearce musste grinsen. Ein erleichterter Seufzer antwortete. Die Tür wurde ganz geöffnet, und Margery Collins wurde sichtbar.
»Ich … ich dachte, ich gehe kurz im Laden vorbei, nachsehen, ob alles in Ordnung ist«, plapperte sie los.
»Ich meine, ich wollte sagen, ich habe immer noch die Schlüssel. Vielleicht dürfte ich sie gar nicht mehr haben. Aber dann bin ich hereingekommen und hab Ihre Stimmen hier oben gehört, und ich wusste nicht, wer das sein könnte. Ich hatte schreckliche Angst, aber ich dachte, ich … ich war verantwortlich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich habe überlegt, ob ich die Polizei rufen soll, aber Sie sind die Polizei, nicht wahr, also ist alles in Ordnung, oder?« Die Luft ging ihr aus, und sie verstummte. Markby musterte sie nachdenklich. Er schätzte sie Mitte bis Ende zwanzig. Sie war groß gewachsen, aber schrecklich dürr, mit Armen und Beinen, die aussahen, als litte sie unter Muskelschwund. Augen und Nase wirkten zu groß für ihr Gesicht, und jede Farbe war daraus gewichen. Letzteres offensichtlich nicht, weil sie sich sehr gefürchtet hatte, sondern weil Margery jene mattweiße Haut besaß, die vor hundert Jahren von aller Welt bewundert worden war, doch heutzutage, wo Sonnenbräune und strahlende Gesundheit als wünschenswert galten, nur kränklich wirkte. Trotzdem war es eine klare, saubere Haut, und das dicke rotbraune Haar hatte eine Tendenz zu Naturlocken. Der Schnitt war grässlich, doch mit einer vernünftigen Frisur, besserer Kleidung, einer Spur Make-up und ein paar zusätzlichen Pfunden an Gewicht wäre sie recht attraktiv gewesen. Sie trug Schwarz, vermutlich als Zeichen des Respekts gegenüber ihrer verstorbenen Arbeitgeberin.
»Wonach suchen Sie?« Margery blickte sich im Zimmer um, und auf ihrem Gesicht breitete sich erneut Misstrauen aus, als sie den offenen Schreibtisch und die durchwühlten Akten entdeckte.
»Indizien würde man es, glaube ich, nennen!«, sagte Markby gut gelaunt. Wieder ernst geworden, fuhr er fort:
»Wir suchen nach einem Motiv für den Mord an Mrs. Bryant.« Er hielt den Brief hoch.
»Das hier scheint sie kurz vor ihrem Tod erhalten zu haben. Sie wissen nicht rein zufällig, wo der Umschlag ist? Hat Mrs. Bryant mit Ihnen über den Inhalt gesprochen?«
»Nein, das hat sie nicht. Das würde sie nicht tun … ich weiß nichts über den Umschlag!« Markby hätte Margery wahrscheinlich auch eines Kapitalverbrechens beschuldigen können, der Effekt wäre derselbe gewesen: Sie starrte ihn an wie das Kaninchen die Schlange.
»Ich weiß nichts über Mrs. Bryants Korrespondenz. Sie hat sehr zurückgezogen gelebt.«
»Um wie viel Uhr kommt morgens die Post?«
»Gegen neun Uhr dreißig. Der Postbote bringt sie herein, und Ellen nimmt sie … hat sie entgegengenommen. Ich habe nie etwas davon zu Gesicht bekommen, weder geschäftliche noch persönliche Korrespondenz. Höchstens hin und wieder einmal eine Rechnung, wenn wir eine Lieferung hatten. Ellen war so. Nicht geheimnistuerisch, aber eben verschlossen, wie ich schon sagte. Sie hätte niemals mit mir über etwas gesprochen, das nicht strikt in meinen Aufgabenbereich gehört. Sie hat über neue Ware geredet oder eine Auslage für das Schaufenster oder ob irgendein Artikel nur schlecht ging und mit reduziertem Preis verkauft werden sollte. Aber Ellen hat nicht viele Waren zu Sonderpreisen verkauft. Sie hat sehr vorsichtig eingekauft, und sie war überzeugt, dass zu viele Sonderangebote ein Geschäft in den Ruin treiben. Es sähe so aus, als würde man auf seiner Ware sitzen bleiben, und die Kundschaft beginnt dann zu überlegen, ob etwas nicht damit stimmt.« Markby lenkte die Unterhaltung entschlossen auf den Brief zurück.
»Also hat Mrs. Bryant mit Ihnen nicht über diesen oder irgendeinen anderen Brief gesprochen? Und Sie haben niemals – rein zufällig – ein Telefonat mitgehört? Es ist wirklich
Weitere Kostenlose Bücher