Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
einem Mörder auch noch ein Kinderschänder frei umherstreifte. Einer der Gründe, warum er sich weigerte, den Fall an jemand anderen zu übergeben, war die Tatsache, dass er Bamford als seine Stadt betrachtete. Es war sein Gebiet, und genau wie er seinen Garten pflegte und frei von Unkraut hielt, so betrachtete er es als seine Pflicht, Bamford freizuhalten von Verunreinigung und alles Übel auszugraben, das hier Wurzeln zu schlagen versuchte.
Die beiden Beamten der Kriminalpolizei erregten nur wenig Aufsehen, als sie vor dem Tudor-Haus stehen blieben und durch das Schaufenster auf die Wollstapel und die hübsch angeordneten Gobelins blickten. Hinter der Glastür hing ein Schild mit der Aufschrift
»Geschlossen«. Markby probierte die Schlüssel aus und hatte bereits beim zweiten Versuch Glück. Er schloss hinter Pearce und sich die Tür. Sie durchquerten den Laden und stiegen die schmale Treppe auf der Rückseite nach oben.
»Drolliges altes Häuschen«, sagte Pearce.
»Sieht ganz so aus, als hätte sie sich für Geschichte interessiert; schließlich war sie auch Mitglied in der Historischen Gesellschaft.«
»Wir müssen die Mitglieder dieser Gesellschaft noch einmal vernehmen. Sie scheinen ihre einzigen Freunde gewesen zu sein, wenn Freunde das richtige Wort dafür ist.« Markby öffnete die Tür am Ende der Treppe.
Er schöpfte neuen Mut, als er die aufgeräumte Wohnung erblickte. Damit würde es bestimmt leichter, etwas Relevantes zu finden. Der Schreibtisch war verschlossen, doch ein weiterer Schlüssel am Bund öffnete ihn. In den Schubladen fand Markby Geschäftsbücher und Korrespondenz, alles ordentlich zu Akten gebündelt oder zusammengeheftet. Keinerlei persönliche Briefe im Brieffach und kein Tagebuch, was Markby ganz besonders bedauerte. Tagebücher lieferten oft entscheidende Hinweise.
»Hier ist ein Foto«, sagte Pearce und kam mit einem Bilderrahmen in der Hand durch den Raum.
»Das einzige, das ich gefunden habe. Keine Familienbilder, nichts.«
Die Fotografie zeigte Ellen Bryant vor ihrem Laden. Markby nahm das Bild aus dem Rahmen, um nachzusehen, ob etwas auf der Rückseite geschrieben stand, und ein aus einer Zeitung ausgeschnittener Artikel fiel heraus. Markbys aufkeimende Hoffnung erfuhr einen raschen Dämpfer. Der Ausschnitt enthielt einen Bericht über die Eröffnung des Strickladens, und das Foto war ein Abzug der Aufnahme, die der Fotograf der Bamford Gazette geschossen hatte. Der einzige interessante Kommentar war eine Zeile des Artikels, in der Ellen als ›Neuankömmling in Bamford‹ bezeichnet wurde. Es gab kein Datum, aus dem hervorging, wann der Artikel in der Gazette erschienen war, doch das konnte Markby in der Redaktion der Zeitung herausfinden lassen.
»Wenn doch nur dringestanden hätte, woher sie gekommen ist!«, brummte Markby und gab Pearce Foto und Rahmen zurück. Er wandte sich wieder dem Schreibtisch zu und kramte in den Ablagefächern.
»Hallo, was haben wir denn hier? Na so was … endlich kommen wir einen Schritt weiter.«
Er zog ein kleines Büchlein hervor, in dem ein gefaltetes Papier steckte.
»Ein Reisepass, und mehr noch, ein australischer!« Markby schlug den Pass auf.
»Ellen Marie Novak, geboren am 6. Juni 1951 in Melbourne. Und das?« Markby faltete das Papier auseinander.
»Sieht aus wie ein Abschlusszeugnis. ›Schule für Klassischen und Modernen Tanz‹. Was haben wir hier für ein Datum? Hm, da war sie gerade sechzehn. Also wollte sie Tänzerin werden. Vielleicht hat sie sogar eine Weile als Tänzerin gearbeitet? Sie hat ihr Zeugnis in ihrem Pass mit sich herumgetragen, was möglicherweise bedeutet, dass sie durch die ganze Welt gereist ist, um zu tanzen.« Markby blickte auf.
»Damit kommen wir bei der australischen Botschaft weiter. Dieser Reisepass wurde erst vor einem Jahr dort verlängert, und dort gibt es bestimmt eine Akte über sie, obwohl ich bezweifle, dass sie mehr ist als ein Name in einem Computer. Eine ehemalige Tänzerin … kein Wunder, dass sie so gesund und fit war.«
Er klappte den Pass zu und tippte nachdenklich darauf.
»Vielleicht ist sie mit einer Tanzgruppe hergekommen und geblieben? Ballett oder Fernsehaufnahmen oder Nachtclubs? Wir versuchen es bei den Theateragenturen und den einschlägigen Zeitschriften.«
»Aber vielleicht arbeitete sie schon seit Jahren nicht mehr als Tänzerin«, entgegnete Pearce pessimistisch.
»Vielleicht hat sie hier in England überhaupt nie als Tänzerin gearbeitet? Sie lebt
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