Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
Spazierengehen und im Frühjahr voller Glockenblumen und Primeln. Es war ein sich selbst überlassener Ort, wo Bäume miteinander um Raum kämpften und eigenartige Pilze gediehen. Hinter diesem Wald, der nur relativ klein war, begannen die dichten Tannenplantagen, dunkel und hoch, wo das Tageslicht nicht bis zum Boden vordrang und alles recht geheimnisvoll war. Auch hier konnte man aufregende Spaziergänge unternehmen, vorausgesetzt, ein Freund half einem dabei, die Ängste klein zu halten und sich nicht zu verlaufen, was allzu leicht geschah. Doch wo man sich leicht verlief, war es umgekehrt entsprechend schwer, jemanden zu finden, und so hatte Emma diese raschelnde Kathedrale voller dunkler Säulen als Ziel erwählt.
Sie hatte die Gegend vorher ausgekundschaftet und einen Wildwechsel entdeckt, den Rehe benutzten. Er schlängelte sich zwischen den Tannenstämmen hindurch. Emma war ihm gefolgt und hatte einen idealen Platz gefunden. Er lag nahe einem kleinen Bach, der durch die Tannenplantage strömte (Maud würde Wasser benötigen), und es war eine Art Räuberhöhle. Wahrscheinlich, dachte Emma, hatten Kinder sie während der Ferien gebaut. Der Bau war geräumig, die Wände bestanden aus ineinander verflochtenen Zweigen, die vom umliegenden Wald herbeigeschleppt und mit einer alten Plane abgedeckt worden waren. Emma hatte den Unterschlupf sorgfältig inspiziert, und obwohl es ein wenig muffig roch, war es trocken, und für Maud war auch genügend Platz.
Wie es danach weitergehen sollte und wie lange sie sich würden verstecken müssen, darüber hatte Emma noch nicht nachgedacht. Doch der Plan funktionierte bis jetzt ausgezeichnet, und wie Mr. Micawber war auch Emma zuversichtlich, dass sich schlussendlich ganz von alleine irgendetwas ergeben würde, das ihre Probleme löste.
Die Wälder lagen am Fuß eines steilen Hangs. Maud hatte Schwierigkeiten mit dem Abstieg, und im unbeständigen Mondlicht, nur mit der schwachen Taschenlampe ausgerüstet, ging es Emma nicht besser. Gemeinsam stolperten sie weiter, das Kind und die alte Eselin, und Maud stieß nur gelegentlich ein missbilligendes Schnauben aus.
Vor ihnen erstreckten sich in der Dunkelheit die Wälder, dunkel, raschelnd und bedrohlich. Ohne jede Vorwarnung flatterte etwas auf und kam geradewegs auf sie zu. Emma stieß einen leisen Schrei aus und duckte sich. Weite Schwingen rauschten über sie hinweg, so nah, dass sie fast ihre Wange berührten, und eine geisterhafte Form schoss in den nächtlichen Himmel hinauf und verschwand.
Nur eine Eule. Emma atmete durch.
»Komm, weiter«, ermutigte sie Maud. Doch Maud hatte es sich inzwischen anders überlegt. Sie hatte diesen mitternächtlichen Streich bis jetzt widerspruchslos mitgemacht, doch die Nacht war kühl, und sie vermisste die Wärme ihrer Box und die Gesellschaft der anderen Tiere. Außerdem wollte sie endlich schlafen. Maud blieb stehen. Emma zupfte am Halfter.
»Gib jetzt nicht auf, Maud! Du musst mitkommen! Du weißt ja nicht, was sie sonst mit dir machen!« Maud dachte offensichtlich, dass das hier schlimmer war als alles, was sie sonst noch mit ihr anstellen konnten. Sie riss den Kopf hoch und den Führstrick aus Emmas Händen, dann drehte sie sich auf den gesunden Hinterbeinen um und trottete entschlossen den gleichen Weg zurück, über den sie hergekommen waren. Emma rannte ihr in der Dunkelheit hinterher, und es gelang ihr, die Eselin einzufangen. Doch der Proviantsack war in der kurzen Zeit vom Rücken der alten Eselin gefallen, und obwohl Emma mit der Taschenlampe den Weg absuchte, konnte sie ihn nicht mehr finden. Sie würde die Suche bei Tageslicht fortsetzen müssen. Was folgte, war ein Kampf zweier Willen. Emma zupfte am Halfter. Maud, alle vier Hufe fest in den Boden gestemmt, weigerte sich beharrlich nachzugeben. Schlimmer noch, sie machte Anstalten, ihr Missvergnügen laut kundzutun, doch nach dem ersten lauten
»Ieee« packte Emma hastig ihr weiches Maul, und das
»Aaaa« kam nur noch als ein gedämpftes ärgerliches Stöhnen. Schließlich, nach einem Zeitraum, der Emma wie eine Ewigkeit erschien, gab Maud nach und ließ sich von Emma herumdrehen und weiter in Richtung der Wälder führen. Emma war erleichtert, aber besorgt. Es dauerte alles viel zu lang, sie hatte den Proviantbeutel verloren, sie schwitzte, und sie war müde. Maud mochte die Wälder nicht und die flüsternden Geräusche, die aus der Dunkelheit und den Baumwipfeln kamen. Was das betraf, so ging es Emma nicht viel
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