Messer, Gabel, Schere, Mord: Mitchell& Markbys Vierter Fall
fuhr, ein großes Maß an Wut. Wut und Ärger über Paul und Laura, den er normalerweise für sich behielt, obwohl sie Emma seiner Meinung nach zu einer Unabhängigkeit erzogen hatten, zu der das Kind einfach noch zu jung war. Ärger auch über sich selbst, weil er es so weil hatte kommen lassen. Und doch wusste er zugleich, dass er schrecklich ungerecht war, noch während all die wirren Gedanken durch seinen Kopf schossen. Weil Emma nicht an dieser einsamen Überlandhaltestelle oder auf der Straße zu den Ställen verschwunden war, sondern aus dem eigenen Bett im eigenen Heim, und es gab keine Erklärung, keinen ersichtlichen Grund, der ihre Handlung verständlich erscheinen ließ.
Außer, es war ein kindlicher Streich. Markby klammerte sich an diese Idee. Ja, bestimmt war es nur ein mitternächtliches Abenteuer; sie versteckte sich im Garten, wollte sich selbst Mut beweisen … Bald schon würde sie wieder nach drinnen kommen, und bis er bei seiner Schwester war, hatte sich wahrscheinlich alles längst aufgeklärt. Er würde hereinkommen, und seine Nichte würde mit einem heißen Kakao am Küchentisch sitzen und von ihren unendlich erleichterten Eltern abwechselnd umarmt, geküsst und ausgeschimpft werden.
Und doch. Irgendeine heimtückische, furchtbare, leise Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte: nein; sagte, dass die dunkle Vorahnung in Erfüllung gegangen war, die er nun seit drei oder vier Tagen mit sich herumtrug; ein unerklärliches ungutes Gefühl. Er hatte es gespürt, hatte gewusst, dass irgendeine Gefahr über Emma schwebte. Und er war nicht imstande gewesen, sie davor zu schützen.
Im Haus der Danbys brannten sämtliche Lichter, als er den Wagen davor parkte. Die Haustür stand offen, und er trat ein. Laura kam bleich wie der Tod aus dem Wohnzimmer gestürzt und umarmte ihn wortlos. Er legte die Arme um sie und sagte:
»Schon gut, Laurie, schon gut. Brich mir jetzt nicht zusammen. Es kommt alles wieder in Ordnung, du wirst sehen.«
Was für ein dummes, unglaubwürdiges Geschwätz, dachte er, doch etwas Besseres brachte er nicht heraus. Seine Schwester löste sich von ihm und schnäuzte sich in ein bereits feuchtes Taschentuch. Aus den Augenwinkeln erblickte Markby seinen Neffen. Matthew saß im Schlafanzug auf der obersten Treppe.
»Hallo«, rief er ihm zu.
»Du hast vermutlich auch keine Ahnung, wohin sie verschwunden ist? Kein geheimes Abenteuer oder etwas in der Art? Sie hat dich nicht schwören lassen, uns nichts davon zu sagen? Weil es nämlich kein heiliger Eid ist, den du brichst, wenn du es uns jetzt sagst! Im Gegenteil, es wäre höchste Zeit, darüber zu reden.«
»Nein«, antwortete Matthew.
»Ich habe Dad und Mum bereits gesagt, dass sie mir nichts verraten hat.« Leidenschaftlich fügte er hinzu:
»Aber sie hat mein Fahrrad geklaut! Dad hat im Schuppen nachgesehen, ob sie sich vielleicht dort versteckt hat, und mein Fahrrad ist weg! Sie hat mein Rad! Jede Wette, dass sie es kaputtmacht! Genau wie ihr eigenes …«
»Schon gut, schon gut!« Paul war in den Flur gekommen.
»Du gehst jetzt wieder schlafen. Gute Nacht!« Matthew erhob sich und wanderte düster über den Treppenflur davon.
»Jede Wette, sie fällt runter, oder die Kette springt ab, oder sie verkratzt die Farbe …« Die düstere Litanei brach ab, als er seine Zimmertür hinter sich schloss. Im Wohnzimmer fragte Markby:
»Habt ihr schon mit den Nachbarn gesprochen? Was ist mit ihren Freundinnen? Vielleicht haben sie einen mitternächtlichen Spaß geplant, wie Kinder es eben tun. Ihr wisst schon, ein Fest in einer Gartenlaube oder so.« Er hörte seine Stimme die erhoffte Lösung herunterbeten und kämpfte gegen die Besorgnis darin an, in dem verzweifelten Wunsch, seine eigenen Ängste zu besänftigen.
»Ein Fest!« Paul erbleichte vor Bestürzung.
»Verdammter Mist! Die Äpfel, die Bohnen, ein halber Laib Brot! Seit einer Woche verschwinden Lebensmittel! Sie hat die Sachen beiseite geschafft!«
»Wir haben mit den Nachbarn und den Freundinnen gesprochen«, sagte Laura mühsam beherrscht.
»Und keine von Emmas Freundinnen hat eine Ahnung, wo sie stecken könnte? Ihr seid sicher, dass sie euch keinen Zettel geschrieben hat?«
»Alan! Wir haben überall gesucht! Selbstverständlich sind wir sicher! Und sie hat Matthews Fahrrad genommen! Sie könnte überall sein!« Markby war sich dessen nur zu bewusst, trotzdem sagte er:
»Bestimmt ist sie zu jemandem gegangen, den sie kennt und dem sie vertraut. Hatte sie bei
Weitere Kostenlose Bücher