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Messewalzer

Messewalzer

Titel: Messewalzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stammkötter
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nie eine Tochter.«
    Kroll war fassungslos. »Aber im Wiederaufnahmeverfahren! Da muss doch spätestens jemand nach ihr gesucht haben! Sie war doch schließlich eine Tatzeugin!«
    »Niemand ist jemals auf die Idee gekommen, nach ihr zu suchen. Vergesst bitte nicht, sie tauchte in keiner Akte mehr auf. Das Verfahren ging schnell und die Öffentlichkeit war durch die Medien aufgescheucht. Da hatte man keine Zeit nach Lücken in alten DDR-Akten zu forschen.«
    Wiggins konnte das alles nicht begreifen. »Aber irgendwo müssen doch selbst die Zwangsadoptionen in der ehemaligen DDR registriert worden sein!«
    »Na klar wurden die registriert. Zentral beim MfS in Berlin. Später hat der Berliner Senat die Akten übernommen und eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet, um die Familienzusammenführungen zu ermöglichen. Aber ihr dürft eines nicht vergessen: Als ein gewisser Herr Modrow die Regierungsgeschäfte übernahm, war eine seiner ersten Amtshandlungen, die Stasi-Dokumente zu vernichten. Und er war nicht gerade kleinlich: Man weiß heute, dass circa sechs Millionen Dateien in den Computern der Stasi unwiederbringlich gelöscht wurden. Von den Akten, die vernichtet wurden, ganz zu schweigen. Und die Unterlagen über die Zwangsadoptionen waren ganz vorne mit dabei. Als Allererstes hat Modrow nämlich die Unterlagen der HVA, der Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi, verschwinden lassen. Damit war alles, was einen Auslandsbezug hatte, so gut wie verloren.«
    Wiggins überlegte laut. »Lachmann war in der letzten Zeit häufiger in Berlin gewesen. Vielleicht war er gerade auf der Suche nach diesen Unterlagen.«
    Kroll stand immer noch am Fenster. »Wir müssen der Sache auf jeden Fall nachgehen.« Er wandte sich Bernd Vogelsang zu. »Was weißt du über Amelies Vater?«
    Der Mann im Rollstuhl zuckte mit den Schultern. »Nur das, was ich euch bereits gesagt habe. Er hat irgendwann rübergemacht. Es gab immer so Gerüchte, dass er ein bekannter Sportler war. Aber wie gesagt: Das waren nur Gerüchte!«

    Die Sitzung der SOKO ›Autor‹, die Kroll auf 16 Uhr verschoben hatte, dauerte nur eine halbe Stunde, weil kein Mitarbeiter Neuigkeiten zu berichten hatte, die die Ermittlungen voranbrachten. Kroll teilte die Gruppen wegen der neuen Erkenntnisse, die er durch die Auskünfte von Sarah Bräutigam und über die Zwangsadoption ihrer Nichte gewonnen hatte, neu ein. Schöck und Jäger sollten jetzt ausschließlich im familiären Umfeld von Annemarie Rosenthal recherchieren. Kroll und Wiggins beschlossen, noch einmal die Buchmesse zu besuchen. Es gab keinen konkreten neuen Anlass, sie wollten jedoch die Gelegenheit nutzen, um sich vor der Abreise der Verlage und Verleger einen Eindruck über die Atmosphäre nach Lachmanns Tod zu machen.
    Unauffällig gingen sie an den Ständen des Zeitraub- und des Zuckerblume-Verlages vorbei. Dort bot sich kein ungewöhnliches Bild, abgesehen von dem Umstand, dass der Zeitraub-Verlag nunmehr ausschließlich mit Willi Lachmanns Romanen warb und derzeit auch keine anderen Bücher zu verkaufen schien. Die Inhaber der Verlage, der graue Elmar Gutbrot und Werner Eigenrauch, der Zwerg, waren mit Kunden oder Geschäftspartnern in Gespräche vertieft.
    Kroll und Wiggins gingen in die Halle 4, in der überwiegend die großen Verlage untergebracht waren. Auch hier schien der Tod Willi Lachmanns das alles beherrschende Thema zu sein. Die Beamten schnappten nahezu an jeder Ecke Gesprächsfetzen auf, die sich mit dem Autor befassten. Am pompösen Stand des Schröder-Verlages entdeckten sie Liane Mühlenberg. Sie unterhielt sich mit einem eleganten Herrn, sicherlich der Geschäftsführer, und machte sich während des Gesprächs eifrig Notizen. Kroll und Wiggins beschlossen, sie nicht zu unterbrechen.
    Das alte Krematorium auf dem Südfriedhof, das vor 100 Jahren erbaut wurde, sah nicht so aus, als wäre es noch in Betrieb. Das wuchtige Gebäude mit den vielen Türmen erinnerte eher an eine Kirche oder ein kleines Schloss. Seine Fassade, die auch in dieser Nacht beleuchtet wurde, verlieh dem ganzen Friedhof einen sanften Eindruck von Ruhe und Frieden.
    Der alte Mann wartete an der Bank, die von dem Licht des Krematoriums nicht mehr erfasst wurde und vollständig vom dunklen Schatten der Nacht umgeben war. Er schaute in eine kohlrabenschwarze Wand. In der Ferne entdeckte er die rote Glut einer Zigarette, die auf ihn zukam.
    Der Besucher setzte sich neben ihn. Er redete in gebrochenem Akzent. »Warum wolltest

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