Messewalzer
wir werden Ihre Tochter heil herausbringen.«
»Ich nehme Sie beim Wort, Herr Kommissar.«
Kroll ging mit dem Staatsanwalt zur Seite. »Er ist bewaffnet und verfügt über Handgranaten. Wie viele, weiß ich nicht, aber bestimmt eine ganze Menge. Er hat eine Reisetasche dabei … sagt er zumindest.«
»Scheiße!«, fluchte Reis. »Das hat uns gerade noch gefehlt!«
»Es kommt noch schlimmer. Er will einen Hubschrauber. Der soll direkt vor der Tür landen.«
»Der will was? Ist der jetzt völlig verrückt geworden? Und das mitten in der Fußgängerzone?«
Kroll bemühte sich, sachlich zu bleiben. »Wir haben Piloten, die kriegen das hin.«
»Und dieser Goran? Kann der überhaupt so ein Ding fliegen?«
»Da bin ich mir ziemlich sicher«, antwortete Kroll. »Der war lange beim Militär und hat das dort bestimmt gelernt.«
Reis atmete tief durch. »Kommt gar nicht infrage! Der fliegt doch nicht mit einem Mädchen und einer Tasche voller Handgranaten durch Leipzig.«
Kroll sah den Staatsanwalt an. »Haben wir eine andere Wahl? Außerdem könnten wir den Helikopter leicht verfolgen. Den kann man nicht einfach so verstecken.«
Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie die Rotorengeräusche des Hubschraubers hören konnten. Wenige Sekunden später konnten sie ihn sehen. Unmittelbar vor der Landung wirbelte er jede Menge Dreck auf und die Polizisten hielten sich schützend die Hände vor die Augen.
Der Pilot kletterte aus dem Hubschrauber und ließ den Motor laufen. Der Lärm war unerträglich, jede Unterhaltung schien ausgeschlossen. Kroll ging zurück in das Restaurant. Als er die Tür schloss, wurden die Motorengeräusche ein wenig gedämmt.
Er beugte sich über das Treppengeländer und schrie hinauf: »Goran! Der Hubschrauber ist da!«
»Fein gemacht. Ich komme in fünf Minute mit Mädchen runter. Ich will nirgendwo Bulle sehen. Vor allem Du nicht, Kroll. Wir sehen uns später, mit wenige Publikum dabei.«
»Ist gut. Wir hauen ab.«
»Warte!«, hielt ihn Goran auf. »Du und die andere gehst jetzt zu Gewandhaus. Und nette Jungs von SEK, die vor Tür stehen, nehmst brav mit. Und wenn ihr vor Brunnen steht, macht ihr hübsche Foto und schickt es an Nummer von die Kleine …« Er gab Kroll die Handynummer des Mädchens. »Und wenn ich Bild von euch habe, geh ich in Hubschrauber. Alles klar?«
»Alles klar«, wiederholte Kroll.
Er ging hinaus und erklärte Staatsanwalt Reis die Situation, was nur durch ein Brüllen ins Ohr möglich war.
»Der hat auch an alles gedacht!«, brüllte der Staatsanwalt zurück. Er winkte die Beamten des SEK zu sich und sie gingen schnellen Schrittes die Grimmaische Straße hinauf in Richtung Augustusplatz.
»Was haben Sie veranlasst?«, fragte Kroll den Staatsanwalt.
»Natürlich wird ein zweiter Hubschrauber diesem Goran folgen. Nicht auf Sichtweite, aber wir haben ihn natürlich auf dem Radar. Der Hubschrauber wird die Einsatzfahrzeuge am Boden dirigieren und auf dem Laufenden halten. Selbstverständlich haben wir einen Notarztwagen im Einsatz.«
Sie waren gerade auf Höhe der Nikolaikirche, als die Rotorengeräusche wieder lauter wurden. Für einen Moment konnten sie den Helikopter zwischen den Häuserzeilen sehen.
»Das mit der MMS können wir uns jetzt wohl schenken«, bemerkte Kroll. Alle rannten zum Augustusplatz, wo Reis bereits drei Einsatzfahrzeuge hinbeordert hatte.
Goran war ein wenig überrascht, dass er das Fliegen noch nicht verlernt hatte, obwohl er schon lange nicht mehr in einem Hubschrauber gesessen hatte. Anfänglich flog er noch ein bisschen wackelig, er hätte fast mit einem Rotorblatt das Dach des Karstadt-Gebäudes gestreift. Aber nach einer kurzen Phase des Eingewöhnens ging es erstaunlich gut. Ist doch wie Fahrradfahren, dachte er. Das verlernt man nie. Er sah zu dem Mädchen, das neben ihm auf dem anderen Sitz saß. Das Kind war völlig verstört. Er vermutete, dass es unter Schock stand. Na wenn schon! So machte es wenigstens keine Zicken.
Er flog den Hubschrauber bewusst niedrig, sein Höhenmesser zeigte nie mehr als 900 Fuß an. Er orientierte sich an der B2 und steuerte in Richtung Süden. Bald mussten die ehemaligen Braunkohletagebaugebiete, die inzwischen große Seenlandschaften geworden waren, vor ihm auftauchen. Er bewegte den Steuerknüppel nach links und steuerte auf den Markkleeberger See zu. Er verringerte seine Höhe, bis er nur noch etwa zehn Meter über der Wasseroberfläche war. Dann stellte er den Autopiloten ein.
Kroll und Reis
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