Messi
Wachstumshormonmangel.
Schwarzstein erklärt, was das genau bedeutet: „Die Drüsen produzieren nicht genügend Wachstumshormone. Man kann das vergleichen mit einem Diabetiker, dessen Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend Insulin herstellt, nur dass es hier die Substanz ist, die man zum Wachsen braucht, die nicht ausreichend produziert wird. Außerdem stellen Diabetiker etwa sieben Prozent der Weltbevölkerung, während Messis Störung nicht besonders häufig vorkommt. Statistisch gesehen ist nur einer von 20 Millionen Menschen betroffen. Und man muss ganz besonders darauf hinweisen, dass es nicht erblich ist. Sehen Sie sich nur Leos Brüder oder seine Schwester María Sol an, die ausgesprochen groß ist.“ Wie nahm Leo die Neuigkeiten auf? „Ich entsinne mich, dass er eine sehr gesunde Einstellung zu seiner Krankheit hatte“, sagt der Doktor. „Er ließ sämtliche Tests – selbst die heftigsten Eingriffe – und die Therapie ohne größere Probleme über sich ergehen. Seine Familie hat ihm sehr dabei geholfen. Eine erstklassige Familie.“
Nachdem das Problem erst einmal erkannt war, begann der Endokrinologe ein Behandlungsprogramm mit Wachstumshormonen. Bei dieser Behandlung erhält der Patient drei bis sechs Jahre lang täglich eine Spritze in die Haut, bis sein Entwicklungszustand zufriedenstellend ist.
Wie kann man die Entwicklung überprüfen? Wie kann man das Wachstumspotenzial ermitteln? Nun – mit Röntgenbildern der Hand. Der Arzt zeigt mir Beispiele aus verschiedenen Entwicklungsstadien: mit neun, zehn, elf bis zu achtzehn Jahren. Er deutet auf den Zwischenraum zwischen zwei Knochen und erklärt, dass der Patient die Grenze erreicht hat, sobald diese Lücke verschwunden ist. Von da an wird er nicht mehr weiterwachsen. Er fügt hinzu: „Wir können die Gene nicht besiegen, aber wir können ihnen bei Schwierigkeiten auf die Sprünge helfen. Ich muss noch betonen, dass ein natürlicher Mangel an Wachstumshormonen ein Leben lang anhält. Deshalb ist ein Eingreifen notwendig.“
In Messis Fall handelte es sich keineswegs um ein Experiment. Anders als mal geschrieben wurde, war er mitnichten eine Laborratte. Der Doktor reagiert richtig angefressen auf das Thema und betont mit Nachdruck: „Das war nie ein Experiment. Man setzt seit vielen Jahren in solchen Fällen Wachstumshormone ein, genauer gesagt schon seit 30 Jahren. Damals stellte man das Wachstumshormon aus den Hirnanhangdrüsen von Verstorbenen her, riskierte dabei aber eine Infektion mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Seit Mitte der 1980er Jahre produziert man es mit gentechnischen Verfahren. Die langfristigen Nebenwirkungen sind unbekannt. Aber bisher haben wir bei unseren Patienten keine Probleme feststellen können – auch nicht in Messis Fall, wo der Einsatz dringend geboten war.“
Weshalb sind Wachstumshormone dann ein solches Tabuthema, und weshalb zählen sie zu den am häufigsten benutzen Präparaten beim Sportdoping?
„Verabreicht man sie einem Erwachsenen, der keinen Mangel aufweist, dienen Wachstumshormone als anaboles Steroid zum Aufbau von Muskelmasse und zur Reduktion von Fettgewebe. Damit wird die körperliche Leistungsfähigkeit erhöht“, erklärt mir der Arzt. Allerdings sind die Gesundheitsrisiken extrem hoch: Flüssigkeitsansammlungen, Schilddrüsenüberfunktion, hoher Blutzuckerspiegel oder Schädelüberdruck können die Folge sein. Es besteht außerdem ein erhöhtes Krebsrisiko.
Am Ende unseres Gesprächs bleibt noch die Frage nach den Kosten für die Behandlung, die sich auf bis zu 600.000 argentinische Pesos, also etwa 100.000 bis 125.000 Euro, belaufen können. Es handelt sich um eine erhebliche Summe Geld, die ein guter Grund für den Aufbruch der Familie Messi in Richtung Spanien gewesen sein mag. Schließlich war der FC Barcelona der einzige Verein, der zur Übernahme dieser Kosten bereit war.
„Mir ist diese von den Medien kolportierte Geschichte, dass der Vater Messi außer Landes brachte, weil hier niemand für die Behandlung aufkommen wollte, immer ein Dorn im Auge gewesen. Es ist nicht gesagt, dass dem wirklich so war. Die Sozialversicherung des Vaters kümmerte sich gemeinsam mit dem Fürsorgefonds des Acindar-Werkes um die Behandlung. Es ist also zweifelhaft, dass sie aus diesem Grund das Land verließen. Hier in Argentinien wird die Behandlung entweder von der privaten Krankenversicherung oder einer i. d. R. durch den Arbeitgeber finanzierten privatrechtlichen Krankenversicherung übernommen,
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