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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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dass du mich richtig zum Anbeißen findest? Wie wäre es mit meinen roten Strümpfen? Du weißt doch, wie gern du es magst, wenn ich …«
    Ich nahm ihre Hand.
    »Hör mal, Lucy, ich will im Moment nichts von alledem …«
    Ich verspürte diesen dumpfen Schmerz hinter meinen Augen, den ich damals nicht als das erkannte, was er war – und der von einem Gefühl der Zärtlichkeit begleitet wurde, das ich nie zuvor erlebt hatte.
    »Meine liebe Lucy, du bist auch in Schwierigkeiten, nicht wahr? Du bist genauso schlimm dran wie ich – wenn nicht sogar noch schlimmer!«
    Sie starrte mich an.
    »Hör mir zu«, sagte ich. »Diese Sachen, die du mir gesagt hast, gehören nicht zum Standardrepertoire, hab ich recht?«
    »Ja. Sie sind der Hauszentrale nicht gemeldet worden.«
    »Tja, dann hör mal her: Ich liebe es, wenn du Sachen sagst, die nicht zum Standardrepertoire gehören, aber du darfst sie zu niemandem sonst sagen. Nur zu mir. Ansonsten … beschädigt man dich vielleicht. Verstehst du?«
    Lucy nickte.
    »Ich will dir helfen«, fuhr ich fort. »Ich muss über das Ganze nachdenken, und dann komme ich wieder. Sag niemandem etwas von alledem, verstehst du? Und was du auch tust, erzähl der Hauszentrale nichts!«

    Während ich durch die Straßen der Stadt nach Hause ging, während ich in der überfüllten Bahn stand, die kopfüber in die Dunkelheit raste, jubilierte mein Herz trotz meiner Angst.
    Ich liebte Lucy ohnehin schon, so absurd das auch klingen mag, genauso wie ein Kind einen leblosen Teddybären lieben kann, genau wie Ruth und ich unseren leblosen X3 Charlie liebten. Aber wenn Lucy lebte, bedeutete das nicht, dass meine kindische Liebe Wirklichkeit werden konnte?

Kapitel 30
    I m Laufe der nächsten paar Wochen verbrachte ich jede freie Minute mit dem Studium von Syntecs: wie sie funktionierten, wie man sie wartete, welche Nährstoffe sie brauchten, um ihre Systeme anzutreiben und ihre organische Haut am Leben zu erhalten … Es war wohl eine Erleichterung für mich, mich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit meiner ständigen Angst vor einer Doppel-O-Razzia oder einem Anruf von der AMG, bei dem man mir befehlen würde, mich an irgendeiner Sabotageaktion zu beteiligen.
    Ich besuchte Lucy oft, kümmerte mich jetzt aber überhaupt nicht mehr um Sex. Es war, als hätte ich einen kleinen Funken Glut gefunden, den ich nun zu einem Feuer anzufachen versuchte. Irgendwo zwischen ihren Hunderttausenden von angelernten und vorprogrammierten Routinen hatte Lucy einen winzigen Freiraum gefunden, aber er war tatsächlich winzig. Sie wusste nichts von der Welt oder ihrer Herkunft. Sie hatte keine Vorstellung von irgendetwas außerhalb des Freudenhauses. Ein Großteil ihrer Sprachfähigkeiten bestand einfach nur aus Worten, die sie wiederholte und dabei ebenso wenig verstand wie ein Papagei. Sie wusste nicht einmal, was sie brauchte, um ihren eigenen mechanischen Körper in Gang zu halten.
    Aber man hatte sie dazu konstruiert, lernfähig zu sein. Sie entwickelte sich selbst weiter und war darauf ausgelegt, ihr Repertoire durch systematisches Ausprobieren zu erweitern. Deshalb konnten selbstentwickelnde Roboter potenziell aus der Bahn geraten: Lucys Konstruktion schloss nicht aus, dass sie etwas lernte, was eigentlich nicht in ihr Repertoire gehörte, und dass sie das Gelernte behielt und unter geeigneten Bedingungen darauf aufbaute, so wie sie all ihre programmierten Routinen behielt und auf ihnen aufbaute.
    Ich versuchte, ihr dabei zu helfen, indem ich sie mit neuen Ideen fütterte und ihr von der Außenwelt erzählte oder indem ich mit ihr ans Fenster ging und ihr zeigte, was auf der Straße passierte.
    Aber mir wurde klar, dass ich ihr vor allem helfen konnte, indem ich Vergnügen daran zeigte, wie sie lernte. Denn zu den Kernprinzipien ihrer Konstruktion gehörte es, dass sie existierte, um männlichen Menschen zu gefallen. Man hatte sie darauf programmiert zu lernen, indem sie kleine Zufallsvariationen in ihr Repertoire aufnahm und sie als neue Routinen katalogisierte. Wenn sie dann auf eine solche Routine eine positive Rückmeldung von einem Kunden erhielt, passte sie die damit verbundene Häufigkeitsrate an, so dass sie öfter in Erscheinung treten und zunehmend zur Basis für weitere Zufallsvariationen werden würde. Indem ich ihr bei der Erforschung ihres Selbst positives Feedback gab, beschleunigte ich den Vorgang.
    »Das ist wunderbar, Lucy, genau das habe ich mir gewünscht. Ich liebe dich ja so!«,

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