Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Gelächter.
»Habt ihr gesehen, wie ich auf sie geschossen habe?«
»Wenn Markos sich nicht vor ein bisschen Hitze fürchten würde, hätte er mich festgehalten, und ich hätte den Körper des Dämons rausziehen können.«
»Wir hätten sie an Ort und Stelle niedergestochen, wenn sie nicht aus dem Fenster gesprungen wäre.«
»Aber habt ihr dieses Geräusch gehört?«
»Ich sage euch, ich habe sie mit dem Schuss mitten in die Brust getroffen. Sie muss stark gepanzert gewesen sein.«
Niemand beachtete mich auch nur im Geringsten. Mit Ausnahme einiger Kinder schaute sich niemand zu mir um.
Ich ging zu meinem Auto. Die Taschen, die Lucy und ich oben auf dem Zimmer zurückgelassen hatten, lehnten ordentlich an einem Vorderrad, und jemand hatte an der Tür ein Zeichen in den Lack gekratzt: ein griechisches Kreuz, das Abzeichen der griechischen Armee.
Ich stieg ein und ließ den Motor an. Der Sitz neben mir war leer. Sehr langsam fuhr ich davon. Niemand schaute sich zu mir um, als ich in der Dunkelheit verschwand.
Ich fuhr die ganze Nacht durch, ruckelte und holperte über die löchrige Straße. Das Auto ächzte und stöhnte, und lose Steine prasselten gegen die Türen und die Windschutzscheibe.
Bäume, Felsen und Gebäude ragten für kurze Momente im Scheinwerferlicht auf und verschwanden wieder.
Ab und zu sah ich eine Ziege oder einen Hasen.
Einmal kam ich an einem Priester vorbei, der mitten in der Nacht allein umherwanderte.
Kapitel 55
N achdem ich Lucy an die Flammen verloren hatte, zog ich lange Zeit ziellos umher, ohne irgendein Gefühl dafür, dass ich als Mensch Teil der Welt war, handelte und Entscheidungen traf. Und trotzdem geschahen Dinge. Etwa einen Monat später stahl jemand mein Auto am Hafen von Patras. Der Verlust bereitete mir Sorgen, doch ich hatte es nicht abgeschlossen, als hätte ein Teil von mir es verlieren wollen. Da war etwas in mir, das alles loswerden, alle Äußerlichkeiten beseitigen und das zum Vorschein bringen wollte, was sich im Innersten versteckte – so wie Lucy, die sich ihr bedeutungsloses Fleisch vom Leib gerissen hatte.
Ich ging zu den Docks und kaufte mir eine Fahrkarte für das nächste Schiff, das ablegte. Es fuhr nach Norden zu den Ionischen Inseln, direkt vor der Küste des Orts, an dem meine Reise begonnen hatte.
Spätnachts traf ich auf Korfu ein. Ich brauchte einen Schlafplatz und fand eine Matrosenherberge in Hafennähe, wo ich mir ein Zimmer mit jemand anderem teilen musste.
Mein Zimmergenosse kam erst um zwei Uhr morgens. Es handelte sich um einen alten, venezianischen Seemann. Er hatte gerade Zahltag gehabt und war zum Trinken in die Altstadt gegangen. Zum Abschluss hatte er noch eine Prostituierte aufgesucht. Jetzt war er von sich selbst angewidert.
»Wenn man sich darauf freut, kommt es einem so köstlich vor, nicht wahr?«, murmelte er, als er feststellte, dass ich noch wach war und Italienisch sprach.
Lärmend zog er sich aus und verströmte dabei eine Wolke von Knoblauch-, Alkohol- und Schweißgeruch. »Und hinterher schämt man sich dann.«
Er rülpste traurig und ging ins Bett.
»Egal. Ich bereue ehrlich, also werde ich morgen früh bei einem Priester beichten, und Gott wird mir vergeben.«
Er wälzte sich hin und her, auf der Suche nach einer bequemen Lage auf der harten, klammen Matratze.
»Du könntest dich auch mal waschen, Freund«, brummte er, während er zur Ruhe kam.
Doch ich war fasziniert von seinem Umgang mit seinem Gewissen.
»Das kannst du wirklich, was?«, fragte ich ihn. »Immer wenn du etwas Schlimmes tust, kannst du zu einem Priester gehen und beichten, und dir wird vergeben.«
»Natürlich«, antwortete der Italiener schläfrig.
»Aber warum funktioniert das?«
Der Seemann seufzte, holte tief Luft und erklärte mir dann so langsam wie einem Kind: Man hatte der Menschheit den freien Willen gegeben, damit sie sich zwischen Gut und Böse entscheiden konnte. Doch Adam und Eva hatten die falsche Entscheidung getroffen, und die Folge davon war, dass die Menschen seither sündig waren, so dass es eigentlich jeder Einzelne von uns verdient hatte, bis ans Ende aller Zeiten in der Hölle zu schmoren. Glücklicherweise hatte Gott sich unser erbarmt und seinen einzigen Sohn geschickt, damit er gekreuzigt wurde und den Preis für die menschlichen Sünden bezahlte. Obwohl nun zwar alle Menschen noch immer Sünder waren, konnten sie aus dem Höllenfeuer errettet werden, wenn sie an Jesus glaubten und ihre Sünden
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