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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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Andere warfen höhnend Steine auf den Schuppen.
    »Pass bloß auf, Hurendämon, du wirst brennen, brennen, brennen! Wollen wir mal sehen, wie dein hübsches Gesicht dann aussieht!«
    Ich unternahm einen hilflosen Versuch, einzugreifen.
    »Bitte, habt Mitleid mit ihr!« Meine Stimme klang kraftlos. »Sie hat niemandem etwas zuleide getan. Sie kann nichts dafür, was sie ist!«
    Ich versuchte, mich weiter nach vorne hindurchzudrängen, doch zwei junge Männer packten mich fest bei den Armen und lachten.
    »He, der Dämon hat den Jungen aus der Stadt verhext!«, rief eine junge Frau mit unnachgiebiger Miene und mit einer Stimme, die so trocken und rauh war wie Sandpapier. »So richtig verhext hat sie ihn mit ihren Plastiktitten und ihren hübschen Plastikaugen.«
    Die Menge lachte. Weitere Steine flogen durch die Luft.
    Dann kamen die Jungen mit einem Benzinkanister zwischen sich den Weg wieder hoch, und die Hirten leerten ihn über der Tür und dem Schuppen aus. Jemand anders trat mit einer brennenden Fackel vor. Das trockene Holz flammte auf, und der Priester hob die Arme zum Himmel. Er flehte den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist an, sie vom Bösen zu erlösen. Das ganze Dorf stimmte in seinen Gesang mit ein.
    Ölige, orangefarbene Flammenzungen schlugen zehn Meter in den Abendhimmel empor und tauchten den kahlen kleinen Steinbruch in einen apokalyptischen Schein.
    »Brenne! Brenne! Brenne!«, rief die Menge im Chor, als das Kirchenlied zu Ende war, und die Jungen warfen Steine in die Flammen.
    Begierig darauf, einen genaueren Blick auf das Geschehen zu erhaschen, ließen meine Fänger mich los und liefen weiter nach vorne.

    Und dann war nur noch ein qualmender Aschehaufen übrig, mit einigen halb darin begrabenen, verkohlten Ackerbaugeräten und einer entfernt menschenähnlichen Gestalt genau in der Mitte. Einige der jungen Männer versuchten, die Überreste des Roboters mit Heugabeln herauszufischen. Manche gebärdeten sich besonders mutig und johlten und lachten, während die Dorfmädchen ihre Rolle erfüllten, indem sie entsetzt quiekten und die Jungen anflehten, vorsichtig zu sein.
    Doch der verbrannte Roboter lag zu weit in der Glut, und die Hitze war zu groß, als dass ihn jemand hätte erreichen können.
    »Wir holen ihn morgen früh«, rief der lauteste der Jungen. »Wir nageln ihn irgendwo hoch oben an, wie sie es im Norden machen, damit alle wissen, dass auch wir hier unsere Dämonen töten.«
    »Spießen wir sie auf einen Pfahl und stellen sie vor der Kirche auf«, meinte ein anderer Junge.
    »Iih! Ist ja eklig!«, entgegnete eines der Mädchen.
    »Genau, Paulos, du bist eklig«, sagte ein weiterer Junge.
    »Du musst gar nicht reden. Was war das noch mal für eine Sache mit dem Maultier?«
    »Welches Maultier, du verlogenes Schwein!«
    Sie gingen an mir vorbei. Ich hatte erwartet, dass sie sich nun gegen mich wenden würden, den Liebhaber des Dämons. Ich hatte damit gerechnet, niedergestochen zu werden oder gehängt, oder damit, dass man mich in die ersterbenden Flammen schleuderte. Doch nichts Derartiges geschah. Die Dörfler beachteten mich überhaupt nicht. Sie gingen direkt an mir vorbei, als wäre ich unsichtbar. In kleinen und großen Gruppen spazierten sie den Maultierpfad hinunter und plauderten und lachten dabei wie Nachtschwärmer, die von einer Party kamen.
    Ich blieb allein zurück. Noch immer wackelig auf den Beinen von dem vielen Raki taumelte ich an den Rand des glimmenden Aschehaufens. Lucy lag mit dem Gesicht nach unten da, die Hände von sich gestreckt. An ihrem Körper gab es keine Reste von menschlichem Fleisch mehr.

    Ich dachte an ihr Zimmer im HESVE-Haus zurück, an die Bücher, die man dort als Requisiten aufgestellt hatte, um das Bild der jungen Studentin zu vervollständigen. Und doch hatte sie jedes Einzelne davon langsam und unter größten Mühen in dem Versuch gelesen, die Welt, in der sie lebte, zu verstehen …

Kapitel 54
    N ach einer Weile ging ich den im Dunkeln liegenden Maultierpfad zum Dorf hinab. Obwohl es bereits früher Morgen war, machte es den Eindruck, dass das ganze Dorf – von den Greisen bis hin zu den Kleinkindern – in und vor dem einzigen Geschäft versammelt war. Wein- und Rakiflaschen wurden herumgereicht. Der Polizist trank mit dem Priester. Aus einem CD-Player kam Busuki-Musik. Die Hirten Petros und Andreas tanzten Arm in Arm mit den jungen Männern, die versucht hatten, Lucys Überreste aus dem Feuer zu ziehen. Es gab Jubel und lautes

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