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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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bereuten.
    Damit wälzte der Seemann sich herum und versuchte erneut zu schlafen.
    »Glaubst du das denn wirklich?«, fragte ich ihn.
    »Natürlich!«, erwiderte der Italiener beleidigt. »Kann ich jetzt endlich schlafen?«
    »Aber ich dachte, Gott wäre allmächtig. Wenn er seine eigenen Regeln ändern wollte, warum hat er es dann nicht einfach getan? Warum musste er dafür seinen Sohn bestrafen?«
    »Das ist uns unergründlich«, brummte der Italiener.
    Ich überlegte. »Was passiert, wenn die Leute im Himmel sündigen?«
    Er setzte sich auf. »Also bitte, das reicht. Ich will schlafen. Niemand sündigt im Himmel. Das weiß doch jeder!«
    »Gibt es im Himmel keinen freien Willen mehr?«
    »Doch, natürlich.«
    »Aber ich dachte, freier Wille heißt, dass die Menschen sich entscheiden können.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Ganz offensichtlich hatte ich die theologischen Kenntnisse des Seemanns überstrapaziert.
    »Tja«, sagte er, »im Himmel weiß man einfach, was das Richtige ist.«
    »Wussten Adam und Eva das nicht auch?«
    Der Italiener knurrte.
    »Du weißt hoffentlich, dass es eine Sünde ist, Zweifel zu verbreiten«, meinte er und legte sich wieder hin. »Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, heb sie dir für morgen auf und geh zu einem Priester.«
    Damit schlief er laut schnarchend ein und ließ mich wach zurück. Wie jede Nacht kehrte ich in Gedanken immer wieder zu dem Moment zurück, in dem ich Lucy verraten hatte.
    Eigentlich plagte mich daran, dass es kein Versehen gewesen war. Die Worte waren mir nicht nur herausgerutscht, weil ich zu viel Raki getrunken hatte. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich hatte Lucys Zerstörung absichtlich herbeigeführt.

Kapitel 56
    A m nächsten Morgen ging ich los und suchte eine Kirche auf. Inmitten von Gold, Weihrauch und altem, mit Bienenwachs und Chrisam geschwärztem Holz, die für eine düstere Stimmung sorgten, entdeckte ich einen Priester. Der Mann war in meinem Alter, wirkte mit seinem langen Bart allerdings sehr viel älter.
    Als ich ihm mein Anliegen erklärte, führte mich der Priester sofort in ein kleines Nebenzimmer, in dem vor einem goldenen Bildnis der Kreuzigung zwei Kerzen brannten.
    »Schau zum Altar, nicht zu mir.«
    Ich betrachtete das goldene Bildnis.
    »Alles, was ich zu Ihnen sage, ist vertraulich, nicht wahr?«, fragte ich.
    »Es bleibt zwischen dir, mir und Gott«, erwiderte der Priester hinter mir.
    Ich nickte.
    »Ich bin ein Illyrier«, sagte ich. »Ich glaube nicht an Ihre Religion und weiß auch nicht viel darüber. Aber ich weiß, dass Sie zwischen Körper und Seele unterscheiden. In Illyrien verstehen wir das nicht. In Illyrien glaubt man nicht an Dinge, die sich nicht messen lassen. Ich denke, dadurch entgeht uns eine Menge.«
    »Nun«, entgegnete er, »damit befindest du dich zumindest schon mal auf dem richtigen Weg.«
    »Meine Freundin hat auch versucht, das mit der Seele zu verstehen. Sie müssen wissen, dass sie ohne Seele geboren wurde. Ihre Seele ist langsam in ihr gewachsen, und meine Freundin musste sich irgendwie einen Reim darauf machen.«
    »Wir alle werden mit einer Seele geboren«, erklärte der Priester nachsichtig. »Sie fährt im Moment der Empfängnis in unseren Körper ein.«
    »Ja, aber wissen Sie, meine Freundin wurde nicht geboren. Sie wurde hergestellt.«
    Er schwieg.
    Widerwillig sprach ich die Worte aus. »Sie müssen wissen, sie … sie war ein Syntec, eine Maschine …«
    Erneutes Schweigen.
    »Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«, fragte ich ihn.
    Natürlich verstand er. Illyrien lag nur ein Stück weiter die Küste hinauf, und die Menschen aus Korfu gehörten zu den vielen Leuten von draußen, die dorthin gingen, um sich sündigen Vergnügungen hinzugeben. Vielleicht hatte der Priester es sogar schon selbst getan. Das kam vor. In jedem Fall musste er bereits unzählige Beichten gehört haben, die mit den fremdartigen Versuchungen der gottlosen Stadt zu tun hatten.
    »Ich verstehe«, antwortete er knapp. »Aber ein Roboter hat keine Seele.«
    »Normalerweise vielleicht nicht, aber dieses Exemplar ist zum Leben erwacht. Eines Tages, als ich bei ihr war, hat sie sich mir anvertraut. Sie war lebendig, und sie wollte fliehen.«
    Einmal mehr schwieg der Priester. Im Dämmerlicht der Kirche hinter der Tür warf jemand eine Münze in eine Sammelbüchse.
    »Sie war lebendig, doch sie war kein Mensch«, sagte ich. »Das Fleisch eines Syntecs ist bloß eine Hülle und nicht wirklich ein fester

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