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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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Bestandteil seines Selbst. Das wusste ich auch, aber ich habe sie trotzdem geliebt – oder zumindest habe ich das geglaubt.«
    Die Stille war so umfassend, dass ich mich fragte, ob der Priester eingeschlafen oder gestorben war.
    »Aber als sie sich ihr Fleisch vom Leib gerissen hat«, fuhr ich fort, »habe ich sie verabscheut. Ich habe sie so sehr gehasst, dass ich sie an ihre Feinde verraten habe. Und sie haben sie zerstört.«
    »Was für Feinde?«, erklang die Stimme des Priesters so nah bei mir, dass ich zusammenschrak.
    »Griechen, ganz gewöhnliche Leute, Christen, die sie für einen Dämon hielten.«
    »Fahre fort.«
    »Sie sehen also, dass ich sie überhaupt nicht um ihrer selbst willen geschätzt habe. Ich habe nur ihre Oberfläche, ihre Fassade geschätzt.«
    Eine der Kerzen begann zu flackern.
    »Wie viele Menschen waren jemals direkt dabei, wenn eine Seele erwacht ist?«, fragte ich. »Nicht viele. Aber ich schon. Die neue Seele hat mir vertraut, und ich habe dieses Vertrauen missbraucht. Weil ich ihre Erscheinung mit ihrem wirklichen Selbst verwechselt habe.«
    Darauf schwieg der Priester ein weiteres Mal, doch schließlich, als ich schon das Gefühl hatte, dass es ihn überhaupt nicht mehr gäbe, seufzte er schwer.
    »Du hast recht damit, dass es eine schwere Sünde ist, die Existenz einer Seele abzustreiten«, meinte er. »Das ist eine Sünde gegen den Heiligen Geist. Die schlimmste Sünde überhaupt. Aber du irrst dich sehr darüber, worin in diesem Falle deine Sünde liegt. Diese Maschinen sind gottlos. Allein ihre Existenz ist eine schreckliche Sünde wider den Herrn …«
    »Aber Lucy konnte nichts dafür, dass es sie gab!«
    Der Priester beachtete meinen Einwurf nicht. »… deshalb ist es in keiner Weise eine Sünde, für die Zerstörung dieser Maschine verantwortlich zu sein«, erklärte er. »Tatsächlich war es eine christliche Tat. Obwohl du es nicht begreifst, hast du die Gebote deines wahren, von Gott gegebenen Gewissens befolgt. Du hast dich von deinen Sünden abgewandt. «
    Ich erinnerte mich an die Geschichte des Kreters Giorghios, der seinen Meißel gespitzt hatte, um sich von der Sucht zu befreien, die ihn zerstörte, und für einen kurzen Moment ergaben die Worte des Priesters eine Art von Sinn für mich. Doch es war nur für einen kurzen Moment. Als ich daran zurückdachte, wie Lucy wirklich gewesen war, ergaben sie überhaupt keinen Sinn mehr.
    »Aber Sie kannten Lucy gar nicht! Sie war nicht böse! Sie wollte niemandem etwas tun! Lieber Himmel, sie hat die ganze Nacht dagesessen und Ihre Christenbibel gelesen!«
    Das ließ den Priester aufmerken, und seine Stimme klang ein wenig unsicher, als er weitersprach. »Tja … zweifellos studiert auch der Teufel die Bibel.«
    Dann wurde sein Tonfall fester, als er erneut die Autorität seiner uralten Kirche im Rücken spürte. »Derartige Maschinen sind gottlos«, erklärte er beharrlich. »Deine eigentliche Sünde war es, dass du dich überhaupt mit diesem Etwas eingelassen hast und auf es gehört hast, als es mit seiner mechanischen Stimme behauptet hat, lebendig zu sein.«
    Der kleine, modrige Raum kam mir plötzlich beengend vor, und ich wandte das Gesicht wütend dem Priester zu.
    »Sie hören mir gar nicht zu! Eigentlich sind Sie genau wie ein illyrischer Atheist. Sie schauen nur auf Äußerlichkeiten und nicht auf die inneren Werte!«
    Ich schob mich an ihm vorbei zur Tür des kleinen Zimmers. Der Andachtsraum der Kirche erinnerte an einen Bienenstock: braun und warm und gedämpft erleuchtet, voller Wachs und Honig und fetter, dunkler, leise brummender Leiber. Vor den tropfenden Kerzen knieten schwerfällige alte Frauen in Schwarz, die sich umdrehten, um zu sehen, was der Lärm sollte.
    Der Priester eilte mir hinterher.
    »Mein Sohn …«, sagte er sanft und voller Güte und legte mir eine Hand auf den Arm.
    Er wirkte ehrlich besorgt. (Wer weiß? Vielleicht hatte er wirklich in Illyrien HESVEs aufgesucht, und seine eigenen Sünden lasteten ihm schwer auf der Seele.)
    Doch ich riss mich wütend los.
    Das Licht auf der Straße war so hell, dass es mir in den Augen weh tat.

Kapitel 57
    M it dem Taxi fuhr ich in den Norden der Insel. Einmal mehr kam es mir zu dem Zeitpunkt wie eine zufällige Laune vor, obwohl ich genau wusste, wohin ich auf dem Weg war. Das Taxi brachte mich die Hänge zu dem großen Bergmassiv des Pantokrator empor, das die ganze Insel überragt. Als die Straße so unwegsam wurde, dass der Fahrer nicht weiter

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