Messias-Maschine: Roman (German Edition)
beleidigt. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass man sich mit dir überhaupt nicht mehr amüsieren kann, Blume? Du bist einfach …«
Doch Venus erhielt keine Gelegenheit, ihren Satz zu beenden, weil sie, ihre Jakobsmuschel und die restliche Besatzung allesamt aus der Welt verschwanden.
Blume rümpfte die Nase, schaute zu dem Phönix und gab ein ungeduldiges Schnauben von sich. Dann blickte sie in die andere Richtung, wo eine Gruppe nackter Gestalten in einem riesigen Springbrunnen herumtollte. Und schließlich verschwand auch sie naserümpfend aus der Welt.
Nicht weit davon stand Kleine Rose. Sie hatte selbst einen attraktiven Körper, aber obwohl man im SenSpace jeden Körper haben konnte, den man wollte, musste man ihn immer noch selbst bewegen, und es sind die Bewegungen, die einen Körper wirklich attraktiv aussehen lassen. Selbst mit ihrem hübschen Gesicht und ihrer guten Figur wirkte Kleine Rose im Vergleich mit den wunderschönen Geschöpfen um sie herum glanzlos und langweilig.
Die Stadt ohne Ende™ gefiel ihr nicht mehr, weshalb sie begonnen hatte, in den SenSpace-Welten umherzustreifen. Hier war sie in Fantasia, wo sich die jungen Illyrier meistens versammelten, wenn sie von den VR-Spielhallen aus in den SenSpace einstiegen. Hier wurde geprotzt, hier bot die SenSpace-Technologie ein Feuerwerk elektronischer Virtuosität auf.
Kleine Rose seufzte.
Sie wechselte in eine andere SenSpace-Welt namens Berglandschaft, voller Blumenwiesen, schneebedeckter Gipfel und Statisten in Lederhosen, die an glucksenden Bächen sangen und tanzten.
Dann wechselte sie erneut an einen Ort namens Alhambra, der voller Springbrunnen, Kreuzgänge und rechteckiger Becken mit bunten Fischen darin war. Sie setzte sich hin und schaute ihnen zu, wie sie goldfarben, rot und weiß durchs Wasser flitzten. Es gab einen gefleckten Fisch, den sie lustig fand. Irgendein Fehler musste sich ins Programm eingeschlichen haben, denn einmal pro Stunde wurde dieser gefleckte Fisch übergangslos von einem Ende des Beckens ans andere versetzt.
Eine vertraute Gestalt erschien in der Ferne und kam auf sie zu.
»Kleine Rose, wo warst du denn?«
»Ach, du bist das, Sol.«
»Ja, ich bin es. Was ist los? Willst du nicht in dein wunderschönes Zuhause zurückkehren?«
»Nein, will ich nicht. Dort ist mir langweilig.«
»Ach so, aber ich bin mir sicher, dass es einen anderen Ort gibt, an dem du dich wie zu Hause fühlen würdest. Vielleicht in einer ländlicheren Gegend, oder …? Aber ich weiß nicht. Sag du es mir. Du hast in letzter Zeit eine Menge Welten bereist.«
Kleine Rose zuckte mit den Schultern. »Ich will in keiner davon leben.« Sie lachte ironisch. »George wäre wirklich verblüfft, wenn er mich jetzt hören könnte, aber ich bin den SenSpace leid.«
»Vermisst du George?«
Sie zuckte erneut mit den Achseln. »Keine Ahnung.«
Unbemerkt von Kleine Rose übernahm nun ein neuer und höhergestellter Beamter vom Sozialdienst die elektronische Projektion namens Sol Gladheim. Der SenSpace-Sozialdienst machte sich ziemliche Sorgen um Kleine Rose. Man hatte ihr Einzelfallsitzungen und Strategiebesprechungen gewidmet. Manche sagten, dass es vielleicht an der Zeit wäre, härter durchzugreifen.
»Hör mal, Schatz«, meinte Mr. Gladheim und setzte sich neben sie auf eine elektronisch simulierte Steinbank. »Vielleicht solltest du dir langsam etwas klarmachen. Der SenSpace ist das einzige Medium, das dir überhaupt ein Leben ermöglicht. Wenn du den SenSpace verlassen würdest, hättest du bloß noch einen Körper, der sich nicht bewegen und nicht mal sehen kann. Du hättest nichts als Dunkelheit. Es tut mir leid, aber so liegen die Dinge nun mal.«
Seine Laune hellte sich auf. »Aber du kannst dir einen Körper mieten, ein bisschen im guten alten Illyria City spazieren gehen und ein paar deiner Lieblingsplätze von früher aufsuchen.«
»Du weißt doch, dass ich das manchmal mache. Aber es ist nicht das Gleiche.«
»Tja, ich fürchte, dass du nur die Wahl zwischen einem Mietkörper und dem SenSpace hast. Das ist schade, aber andererseits bist du immer noch sehr viel besser dran als manche andere Leute.«
Kleine Rose lächelte.
»Schau mal! Weg ist er!«, rief sie. »Dieser Fisch hat die diskontinuierliche Bewegung entdeckt!«
Mr. Gladheim lächelte unverbindlich. Er hatte keine Ahnung, wovon sie redete.
»Ich habe gerade eben einen Anruf aus der Außenwelt gekriegt«, bemerkte Kleine Rose. »Zum ersten Mal seit
Weitere Kostenlose Bücher