Metro2033
übersät. Der Putz war in großen Brocken von der Decke gefallen. Über die Bahnsteigränder flössen schwarze Rinnsale, unheilvolle Vorboten einer bevorstehenden Überschwemmung. Der Saal war menschenleer, nur ein kleines Mädchen saß neben einem der Zelte auf dem Boden und beschäftigte sich mit seinen Spielsachen. Vom anderen Ende, wo eine Treppe nach oben führte, waren gedämpfte Schreie zu hören, und an den Wänden flackerte der Widerschein eines Feuers. Ansonsten hielten nur zwei unversehrt gebliebene Notbeleuchtungslampen die Dunkelheit zurück.
Das Gewehr, das Artjom am Kopfende seiner Liege zurückgelassen hatte, war verschwunden. Er durchsuchte das ganze Zelt. Schließlich fand er sich damit ab, dass er unbewaffnet weitergehen musste.
Was war passiert? Artjom wollte das Mädchen fragen, doch als es ihn erblickte, fing es verzweifelt an zu weinen, so dass er nichts in Erfahrung bringen konnte.
Artjom ließ das schluchzende Kind sitzen, ging vorsichtig durch einen der Bögen hindurch und trat auf den Bahnsteig hinaus. Dort blieb er wie gebannt stehen. An der marmorverkleideten Wand hing ein bronzener Schriftzug: W NCh. Dort, wo das D hätte sein müssen, gähnte ein tiefer Riss im Mauerwerk.
Er musste nachsehen, was im Tunnel vor sich ging. Vielleicht hatte jemand die Station erobert. Bevor er Hilfe holte, musste er die Lage erkunden, damit er den Verbündeten im Süden genau schildern konnte, welche Gefahr drohte.
Kaum hatte er den Tunnel betreten, als sich die Dunkelheit schlagartig verdichtete. Von seinen Armen sah Artjom nur noch die Ellenbogen. Aus der Tiefe des Tunnels kamen merkwürdig schmatzende Laute. Es war völliger Wahnsinn, unbewaffnet dorthin zu gehen.
Dann verstummten die Geräusche für kurze Zeit, und Artjom hörte Wasser über den Boden rauschen. Es floss um seine Stiefel herum und strömte weiter bis zur WDNCh.
Seine Beine zitterten und gehorchten ihm nicht mehr. Eine Stimme in seinem Kopf warnte ihn davor weiterzugehen, das Risiko sei zu hoch und in dieser Düsternis könne er sowieso nichts erkennen. Doch ein anderer Teil seines Selbst zog ihn entgegen aller Vernunft tiefer in das Dunkel. Mechanisch machte er einen weiteren Schritt nach vorne.
Die Dunkelheit um ihn war nun absolut, er sah überhaupt nichts mehr und hatte ein seltsames Gefühl, als ob sein Körper verschwunden wäre. Er war ganz auf sein Gehör reduziert, sein Denken richtete sich danach aus. Eine Zeit lang bewegte er sich noch so weiter, doch die Geräusche von vorhin kamen nicht näher. Dafür waren andere zu hören: Schlurfende Schritte, exakt dieselben, die er schon einmal in einer ähnlichen Dunkelheit gehört hatte. Artjom überlegte angestrengt, doch er konnte sich einfach nicht daran erinnern, wo und unter welchen Umständen das gewesen war. Und je näher die Schritte aus der Tiefe des Tunnels kamen, desto mehr spürte Artjom, wie sein Herz von kaltem Grauen erfasst wurde. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, drehte sich um und rannte Hals über Kopf los, zurück zur Station. Aber in der Dunkelheit stolperte er über eine Schwelle und stürzte. Noch im Fallen begriff er: Nun war es da, das unvermeidliche Ende ...
Schweißgebadet wachte er auf. Es dauerte einige Momente, bis er begriff, dass er von der Liege heruntergefallen war. Sein Kopf fühlte sich ungewöhnlich schwer an, in den Schläfen pulsierte ein dumpfer Schmerz. Er blieb einige Minuten am Boden liegen, bis er schließlich ganz zu sich kam und in der Lage war, aufzustehen.
Kaum war sein Kopf etwas klarer, verflüchtigten sich schon die Bilder seines Albtraums, und er konnte sich nicht einmal mehr vage an dessen Inhalt erinnern. Er hob die Zeltplane an und trat hinaus. Außer einigen Wachen war niemand zu sehen. Offenbar war es Nacht. Mehrmals atmete er die vertraute feuchte Luft tief ein und aus, dann kehrte er ins Zelt zurück, streckte sich erneut auf der Liege aus und fiel in einen tiefen, diesmal traumlosen Schlaf.
Melnik weckte ihn. Der Stalker trug eine dunkle, gefütterte Jacke mit hohem Kragen und Militärhosen und schien jede Minute die Station verlassen zu wollen. Auf dem Kopf hatte er noch immer dieselbe schwarze Fliegermütze.
Neben der Liege standen jetzt zwei große Taschen, die Artjom bekannt vorkamen. Melnik schob eine davon mit dem Stiefel auf ihn zu und sagte: »Hier sind Schuhe, Kleidung, ein Rucksack und eine Waffe. Zieh dich um. Den Schutzanzug kannst du einstweilen in der Tasche lassen, den brauchen wir erst
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