Metro2033
bedauerte, sich auf diese Diskussion überhaupt eingelassen zu haben. Ulman mochte ein hervorragender Kämpfer sein, ohne Frage, aber als Gesprächspartner taugte er nicht viel. Mit ihm über den Sinn des Lebens zu diskutieren erschien völlig sinnlos. Dennoch gab Artjom mürrisch Antwort: »Ja, ich schon.«
Ulman lachte auf. »Und, wofür? Um die Menschheit zu retten? Das ist doch alles Quatsch. Wenn du sie nicht rettest, tut es jemand anders. Ich zum Beispiel.« Er leuchtete sich sein Gesicht an, damit Artjom es sehen konnte, und schnitt eine heldenhafte Grimasse.
Artjom blickte ihn neidisch an, sagte aber nichts.
»Und außerdem«, fuhr der Kämpfer fort, »können ja nicht alle nur für dieses eine Ziel leben.« »Und wie gefällt dir dein Leben ohne Sinn?«
»Wie, ohne Sinn? Mein Leben hat sehr wohl einen Sinn, den gleichen wie für alle anderen. Diese ganze Sinnsuche haben die meisten Leute doch mit der Pubertät überwunden. Bei dir scheint das offenbar etwas länger zu dauern ... Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich siebzehn war. Da wollte ich auch alles wissen, wie, wozu, und was für einen Sinn hat das? Das vergeht. Der Sinn unseres Lebens, Bruder, ist nur einer: Kinder zu machen und sie großzuziehen. Und dann sollen die sich mit dem Problem rumschlagen. Und eine Antwort finden, so gut sie eben können. Das ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält. Nur so eine Theorie.« Ulman lachte erneut.
Nach einer Weile fragte Artjom: »Und warum gehst du dann mit mir mit? Und riskierst dein Leben? Wenn du nicht an die Rettung der Menschheit glaubst, was ist es dann?«
»Erstens: Befehl ist Befehl, da wird nicht lang diskutiert. Zweitens: Wie du dich vielleicht erinnerst, genügt es nicht, Kinder nur zu machen, man muss sie auch großziehen. Und wie soll ich das bitte tun, wenn dieses Geschmeiß von der WDNCh sie auffrisst?«
Ulman war sich seiner selbst, seiner Kraft und seiner Worte so sicher, und sein Weltbild war so verlockend einfach und harmonisch, dass Artjom keinen Streit mit ihm anfangen wollte. Im Gegenteil - er spürte auf einmal, dass der Kämpfer auch ihm eine Sicherheit verlieh, die ihm bisher gefehlt hatte.
Wie Melnik gesagt hatte, war der Tunnel zwischen der Majakowskaja und der Belorusskaja völlig ruhig. Zwar machte sich in den Belüftungsschächten irgendetwas heulend bemerkbar, doch huschten auch einige ganz normale Ratten an ihnen vorbei, was Artjom beruhigte. Die Strecke war erstaunlich kurz. Sie waren mit ihrer Diskussion noch nicht am Ende, als in der Ferne bereits die Feuer der Station zu erkennen waren.
Dass die Belorusskaja von ihrer Nachbarschaft zur Hanse profitierte, sah man schon daran, dass sie im Vergleich zur Kiewskaja und zur Majakowskaja recht gut bewacht wurde. Zehn Meter vor dem Eingang gab es einen Kontrollpunkt, bestehend aus einem auf Sandsäcken aufgebockten Maschinengewehr und einer fünfköpfigen Wachmannschaft.
Als ihre Dokumente überprüft waren - wie gut, dass Artjom nun einen Pass besaß! -, erkundigte sich einer der Wachleute höflich, ob sie vielleicht aus dem Reich kämen.
Gleichzeitig versicherte er ihnen, hier habe niemand etwas gegen das Reich, dies sei eine Handelsstation, und bei Konflikten zwischen den Mächten - so nannte der Wachleiter die Hanse, das Reich und die Rote Linie - wahre man absolute Neutralität.
Bevor sie ihre Wanderung über den Ring fortsetzten, beschlossen Artjom und Ulman, sich nun doch auszuruhen und etwas zu essen. Sie nahmen in einer reich ausgestatteten und sogar mit gewissem Geschmack eingerichteten Imbissbude Platz, wo Artjom nicht nur ein köstliches, gar nicht teueres Kotelett verspeiste, sondern auch gleich noch umfassende Informationen über die Belorusskaja erhielt. Am Tisch gegenüber saß nämlich ein blonder, rundgesichtiger Mann, der sich als Leonid Petrowitsch vorstellte und gerade eine riesige Portion Ei mit Speck vertilgte. Als er den Mund wieder frei hatte, begann er bereitwillig von seiner Station zu erzählen.
Wie sich herausstellte, lebte die Belorusskaja von Schweineund Hühnerfleischlieferungen. Jenseits des Rings - in Richtung Sokol und sogar bis zur Woikowskaja, obwohl diese bereits gefährlich nah an der Oberfläche war -, befanden sich riesige, erfolgreiche Wirtschaftsbetriebe. Über mehrere Kilometer waren Tunnel und technische Abschnitte in endlose Tierfarmen umgewandelt worden. Diese ernährten die gesamte Hanse und belieferten das Vierte Reich genauso wie die ewig hungernde Rote
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