Metro2033
... Also, wie war das, was halten die von der Alexejewskaja von regelmäßigen Tunnelpatrouillen? Das würde uns sehr helfen ...«
Nachdem Artjom im Laufschritt zur Gruppe zurückgekehrt war, händigte der Kommandeur jedem gegen Unterschrift ein Gewehr aus und sagte: »Also dann, Männer. Erst noch mal kurz hinsetzen, das bringt Glück für die Reise.«
Er ließ sich auf einer alten, von vielen Jahren intensiven Gebrauchs blank polierten Holzbank nieder. Die Übrigen folgten schweigend seinem Beispiel.
»So, gehen wir mit Gott!« Der Kommandeur erhob sich wieder, sprang schwer auf das Gleis hinab und nahm seinen Platz an der Spitze des Trupps ein. Artjom und Schenja, die Jüngsten, kletterten auf die Draisine, bereit für ihre nicht gerade leichte Aufgabe. Kirill und der andere Freiwillige bildeten den Abschluss.
»Vorwärts!«, rief der Offizier. Artjom und Schenja legten sich auf die Hebel, und Kirill schob die Draisine von hinten an, so dass sie quietschend anfuhr und sich langsam vorwärts bewegte. Bald war die Gruppe im Schlund des Südtunnels verschwunden.
4
DIE STIMME DES TUNNELS
Das schwache Licht der Lampe in der Hand des Kommandeurs wanderte als fahlgelber Fleck über die Wände des Tunnels, leckte den feuchten Grund und verschwand spurlos, sobald die Lampe in die Ferne gerichtet wurde. Nicht einmal zehn Schritte vor ihnen verschlang die tiefe Finsternis gierig die Strahlen. Monoton quietschend rollte die Draisine vor sich hin ins Nichts, und genauso einförmig waren der schwere Atem und das gleichmäßige Stampfen der beschlagenen Stiefel.
Sie hatten die südlichen Wachen hinter sich gelassen, längst war der letzte Widerschein des Feuers weit hinten im Tunnel erloschen. Das Gebiet der WDNCh lag nun hinter ihnen. Und obwohl die Strecke bis zur Rischskaja in letzter Zeit aufgrund der guten Nachbarschaft und des belebten Verkehrs zwischen beiden Stationen als ungefährlich galt, war es Vorschrift, stets auf der Hut zu bleiben.
Die Gefahr kam nämlich durchaus nicht immer aus Norden oder Süden. Sie konnte sich über ihnen verbergen, in den Belüftungsschächten, links oder rechts, in den unzähligen Verzweigungen, hinter den verriegelten Türen ehemaliger Betriebsräume und geheimer Ausgänge. Sie lauerte unter ihnen, in geheimnisvollen Schächten, die die Erbauer der Metro zurückgelassen und die Reparaturkommandos vergessen oder aufgegeben hatten. Dort, in einer Tiefe, die selbst bei kühnsten Abenteurern Beklemmung hervorrief, war schon früher, als die Metro nichts weiter als ein Verkehrsmittel war, Furchtbares gewachsen.
Darum wanderte der Schein der Kommandeurslampe so unruhig die Tunnelwände entlang, strichen die Finger der Nachfolgenden ständig über die Sicherungshebel ihrer Gewehre, stets bereit, auf Dauerfeuer zu gehen und den Abzug zu betätigen. Und darum waren alle, die da marschierten, so wortkarg: Gespräche hätten ihre Aufmerksamkeit gestört, sie daran gehindert, dem Atem des Tunnels zu lauschen.
Obwohl Artjom bereits müde wurde, legte er sich weiter ins Zeug - der Hebel hob und senkte sich unablässig, monoton knarrte das Getriebe, wieder und wieder drehten sich die Räder. Ohne etwas zu sehen, blickte er nach vorne, und in seinem Kopf kreiste zum Takt der klopfenden Räder ebenso schwer und depressiv jener Satz, den er tags zuvor von Hunter gehört hatte: dass die Macht der Finsternis den größten Teil der Moskauer Untergrundbahn beherrschte.
Er versuchte sich zu überlegen, auf welche Weise er sich zur Polis durchschlagen würde, doch der stechende Schmerz, der sich langsam über all seine Muskeln verteilte, und die Müdigkeit, die von den halb eingeknickten Beinen über das Kreuz hinaufkroch und seine Hände erlahmen ließ, verdrängten sämtliche halbwegs komplexen Gedankengänge aus seinem Kopf. Der heiße, salzige Schweiß, der anfangs nur in winzigen Tröpfchen auf seiner Stirn erschienen war, floss nun in Strömen über sein Gesicht, brannte in den Augen, und er konnte ihn nicht fortwischen, denn auf der anderen Seite des Antriebs stand Schenja, und den Hebel loszulassen hätte bedeutet, die ganze Last auf ihn abzuwälzen. In Artjoms Ohren pochte das Blut immer lauter, und er musste daran denken, wie er als kleiner Junge gerne irgendeine unbequeme Körperhaltung eingenommen hatte, um dieses Pochen in den Ohren zu spüren, denn so hatte er sich den Exerzierschritt der Soldaten bei einer Parade vorgestellt. Wenn er dann die Augen schloss, konnte er sich ausmalen,
Weitere Kostenlose Bücher