Metro2033
einfach nur ein Psychopharmakon zu sich, sondern trete mit dieser neuen vernunftbegabten Lebensform in Kontakt. Ja, wenn man alles richtig mache, könne man sich mit ihr anfreunden, und dann werde sie demjenigen helfen, der über dur mit ihr kommuniziert.
Doch plötzlich tauchte Suchoj auf, drohte mit dem Finger und sagte, man dürfe das Kraut überhaupt nicht zu sich nehmen, denn von allzu intensivem Genuss würde das Hirn wurmstichig. Artjom beschloss, das zu überprüfen: Er sagte laut, er wolle etwas frische Luft schnappen, stellte sich aber stattdessen heimlich hinter den Magier mit dem spanischen Namen und sah, dass bei diesem der Hinterkopf fehlte und man das Gehirn erkennen konnte, schon ganz schwarz vom Wurmfraß. Lange, weiße Maden ringelten sich darin, bohrten sich ins Gewebe, hinterließen ihre Spuren, während der Magier weitersprach, als wäre nichts. Artjom wurde es unheimlich, er beschloss fortzulaufen und begann Schenja am Ärmel zu zupfen, damit dieser aufstand und mitkam, aber Schenja winkte ungeduldig ab und bat Carlos weiterzuerzählen, während Artjom zusah, wie die Würmer aus dem Kopf des Magiers über den Boden auf Schenja zukamen, an seinem Rücken hinaufkletterten und ihm in die Ohren zu kriechen versuchten.
Da sprang Artjom auf das Gleis und rannte aus Leibeskräften von der Station fort. Doch dann fiel ihm ein, dass dies genau der Tunnel war, in den man nicht allein gehen durfte. Er wandte sich um und lief zurück Richtung Station, kam aber aus irgendeinem Grund einfach nicht bei ihr an.
Plötzlich flammte hinter ihm ein Licht auf, und er sah mit erstaunlicher Präzision seinen eigenen Schatten auf dem Tunnelboden. Er drehte sich um - aus dem Inneren der Metro kam ein Zug unerbittlich näher, mit teuflischem Quietschen und laut ratternden Rädern, ein ohrenbetäubender Lärm in grellem Scheinwerferlicht.
Artjom versagten die Beine, sie knickten ein wie Strohhalme. Dann, nur wenige Meter von ihm entfernt, verlor die Erscheinung an Realität, verblasste, verschwand.
Dafür erschien nun etwas Neues, völlig anderes. Artjom erblickte Hunter, schneeweiß gekleidet, in einem leeren Zimmer mit ebenso blendend weißen Wänden. Er stand dort mit gesenktem Kopf, sein Blick bohrte sich in den Boden. Dann hob er die Augen und sah Artjom direkt an. Ein merkwürdiges Gefühl war das, denn bisher hatte Artjom in diesem Traum seinen Körper nicht gespürt, sondern gleichsam von außen das Geschehen betrachtet. Und während er in Hunters Augen blickte, stieg eine rätselhafte Unruhe in ihm auf, als ob ihm etwas sehr Wichtiges bevorstand, etwas, das jeden Augenblick eintreten konnte.
Als Hunter dann sprach, kamen Artjom die Ereignisse so unglaublich real vor, dass ihn dieses Gefühl schier überwältigte. Bei früheren Albträumen war er sich immer bewusst gewesen, dass er schlief, dass alles, was ihm passierte, nur die Frucht seiner aufgewühlten Fantasie war. In dieser Vision jedoch fehlte das völlig, er hatte nicht das Gefühl, er könne jeden Moment aufwachen.
Mit langsamer, schwerer Stimme sagte Hunter: »Es ist Zeit. Du musst erfüllen, was du mir versprochen hast. Du musst es tun. Denk daran, dies ist kein Traum! Es ist kein Traum!«
Artjom riss die Augen auf. Ein weiteres Mal hörte er ganz deutlich die dumpfe Stimme: »Es ist kein Traum ...«
»Es ist kein Traum«, wiederholte Artjom. Die Einzelheiten - die Würmer, der Zug - verschwanden bereits aus seinem Gedächtnis, aber an dieses letzte Bild erinnerte er sich in aller Klarheit. Die seltsame Kleidung des Jägers, das rätselhafte weiße Zimmer und die Worte >Du musst erfüllen, was du mir versprochen hast< - all das ging ihm nicht aus dem Kopf.
Sein Stiefvater betrat das Zelt und fragte besorgt: »Sag mal, hast du Hunter seit unserem Gespräch gesehen? Es wird langsam Abend, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt, und sein Zelt ist leer. Ist er etwa fortgegangen? Hat er dir gestern irgendetwas von seinen Plänen erzählt?«
»Nein, Onkel Sascha, er hat mich nur über die Situation hier ausgefragt«, log Artjom.
»Ich mache mir Sorgen um ihn. Hoffentlich stellt er nichts Dummes an, bringt sich in Gefahr, und am Ende kriegen wir auch noch was ab. Wenn er wüsste, mit wem er es zu tun hat ... Sag mal, arbeitest du heute nicht?«
»Schenja und ich haben uns für die Karawane zur Rischskaja angemeldet. Wir bringen Hilfsgüter hin, außerdem sollen Telegrafenkabel von dort zu uns verlegt werden.« Artjom merkte plötzlich, dass er
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