Metropolis brennt
noch genauer über seine Gefühle klarwerden und hatte mit ihr vereinbart, daß sie sich im Wartesaal trennen und erst wieder in diesem Hotel zusammenkommen wollten, wenn sie das Dorf in zwei Wochen, vorher konnte sie nicht, erneut besuchen würden.
Die Woche zog lahm und trostlos wie immer an ihm vorbei. Die Euphorie hatte schnell nachgelassen, und der Kummer und die Einsamkeit begannen, an ihm zu nagen. Norman wies den Senatscomputer über sein Terminal an, die Prioritätsnummer einer weiblichen Person namens Lilana aus dem Register zu suchen. Da jeder Bürger einen vom Computer ausgesuchten – man konnte sogar sagen: ausgedachten – einmaligen Namen nach dem Zufallsprinzip zugeordnet bekam, war dies eine leichte Aufgabe für die Registratur. Auf dem Bildschirm erschien das Ergebnis: L . I . L . A . N . A … B . L . A . U … 3.3.3.3. Norman war erstaunt, damit hatte er nicht gerechnet. Blau-3333, das war doch die Technikerin, die mit dem jungen Schnösel in der R-Bahn …
Am Wochenende hielt er es nicht mehr länger einsam und alleine in seinem Apartment aus. Er zog den Computerausdruck mit ihrer Adresse hervor und fuhr mit der Rohrbahn bis fast an das entgegengesetzte Ende der Metropole. Huchting, ein Neubauviertel, das erst vor wenigen Jahren im Rahmen des großen Sanierungsprojekts entstanden war. Einfache Wohnungen, aber sauber und angenehm, wie er gehört hatte. Allerdings schien ihm hier der dichte Smognebel noch aufdringlicher als weiter im Norden. Die bunten Wände waren an vielen Stellen von weißen Flechten überwuchert. Erst als Norman nah an die Wände herantrat und die Flechten genauer betrachtete, merkte er, daß das keine Flechten, sondern chemische Abfallprodukte waren, möglicherweise Zinkoxid.
Lilana wohnte im 12. Stockwerk eines dieser Häuser und teilte sich eine Wohnung, die nicht viel größer als seine eigene war, mit drei anderen Blauen. Sie erkannte ihn sofort und schien sich wirklich zu freuen, und über seine wahre Identität schien sie sich nicht weiter zu wundern. Norman sagte nichts davon, daß er sie damals im R-Zug gesehen hatte, denn das hätte alles verdorben.
In der folgenden Woche konnte Norman das Wochenende kaum erwarten, und er stand mehrmals kurz davor, sie doch noch abends zu besuchen. Aber er konnte sich bis Freitag beherrschen.
Inzwischen war es auf dem Land schon grüner geworden. Die Krokusse waren verblüht und einer dichten heranwachsenden Wiese gewichen. Die Sonne schien kräftiger als vor zwei Wochen auf sie herab, und Norman und Lilana streiften vergnügt über die Weiden und wälzten sich eng umschlungen auf dem Laub vom letzten Jahr. Nachdem sie sich darauf heiß und erregt geliebt hatten, schlief Lilana in seinen Armen ein.
Die Sonne stand erheblich tiefer, als Lilana wieder aufwachte, sich fröstelnd aufrappelte und plötzlich zusammenschrak, als ihr bewußt wurde, daß Norman nicht mehr da war. Norman war nicht da! Nicht im Dorf, nicht in der Pension. Nirgendwo! Niemand hatte ihn heimkommen gesehen. Lilana fuhr am nächsten Tag, ohne daß Norman neben ihr im Abteil saß, mit der R-Bahn in die Stadt zurück.
Norman schlug die Augen auf und sah in schummriges, düsteres Rotlicht. Wo war er? Er sah an seinem nackten Körper entlang, und ihm wurde allmählich bewußt, daß er auf einer harten Pritsche lag, nicht auf Laub und nicht im Wald. Er wollte sich aufrichten und zuckte zurück, als an seinen Schläfen ein schmerzhaftes Ziehen begann, das sich um seinen Kopf herum fortsetzte. Norman tastete mit seinen Fingern vorsichtig am Kopf entlang und erfühlte eine Elektrode an seiner rechten Schläfe. Als er seine Finger weiter um den Schädel herumwandern
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