Metropolis brennt
keine Rolle. Der Zivilisationsindex ist wichtiger. Und der Empathiepegel. Sie sind siebzehn, aber Sie sind emotionell reifer. Andererseits sind Sie nicht … eingefahren. Sie waren jahrelang kein Kontrolleur mehr. Wir sind der Meinung, Sie könnten über einige ungewöhnliche Blickwinkel verfugen, die uns weiterhelfen.“
„Sind denn ungewöhnliche Blickwinkel nicht unerwünscht?“
Nehrals dünnes, müdes Gesicht verzerrte sich zu einem dünnen Lächeln. „Darüber wurde ausführlich debattiert. Eine Kultur ist ein lebender Organismus, sie kann nicht in ihren eigenen Abfallprodukten existieren. Jedenfalls nicht auf Dauer. Aber wir haben nicht die Absicht, auf Dauer isoliert zu bleiben.“
„Das wußte ich nicht“, sagte Fleming.
Nehral betrachtete seine Fingerspitzen. „Kommen Sie nun aber nicht auf die Idee, daß wir die Herren sind. Wir sind viel mehr Diener als Bürger. Wir müssen dem Plan folgen, aber wir kennen nicht alle Einzelheiten des Plans. Das wurde absichtlich so eingerichtet. Eines Tages wird die Barriere verschwinden. Dann wird die Stadt nicht mehr isoliert sein.“
„Aber … draußen!“ sagte Fleming ein wenig nervös. „Stellen Sie sich doch einmal vor …“
„Die Stadt wurde vor sechshundert Jahren mitsamt der Barriere erschaffen“, sagte Nehral. „Die Barriere ist unüberwindlich. Es gibt einen Schalter – den ich Ihnen bei Gelegenheit zeigen werde –, aber der ist augenblicklich außer Betrieb. Er dient der Aufrechterhaltung der Barriere. Niemand kann die Barriere vernichten. Einer Theorie zufolge kann man sie erst dann vernichten, wenn die Halbwertszeit abgelaufen ist und ihre Energie damit einen ausreichend niedrigen Stand erreicht hat. Dann wird sie automatisch verschwinden.“
„Wann?“
Nehral zuckte mit den Achseln. „Das kann niemand vorhersagen. Morgen, vielleicht aber auch erst in tausend Jahren. Eine der gängigen Vorstellungen lautet, daß die Stadt zum Schutz isoliert worden ist. Das bedeutet vollständige Isolierung. Nichts – gar nichts – kann die Barriere durchbrechen. Also sind wir sicher. Wenn die Barriere verschwunden ist, können wir erfahren, was mit dem Rest der Welt passiert ist. Wenn die Gefahren gebannt sind, können wir sie besiedeln. Wenn nicht, dann legen wir einfach den Schalter wieder um und sind hinter der Barriere in Sicherheit, bis wieder eine ausreichend lange Periode verstrichen ist.“
Gefahr. Die Erde war zu groß und zu dicht bevölkert gewesen. Archaische Moralvorstellungen hatten geherrscht. Die neue Wissenschaft war verkündet worden, doch die Zivilisation hatte auf fatale Weise versagt. In jenen Tagen waren viele Pläne geschmiedet worden. Doch nur einer war durchführbar gewesen. Strikte Kontrolle – durch Ausübung einer neuen Macht – und undurchdringliche Panzer. Daher war die Stadt erbaut und mittels der Barriere isoliert worden. Das geschah zu einer Zeit, als alle anderen Städte fielen …
„Wir kennen die Gefahren eines Status quo“, sagte Nehral. „Neue Theorien und Experimente sind nicht verboten. Ganz im Gegenteil. Viele können nur derzeit nicht durchgeführt und studiert werden. Aber wir führen sorgfaltig Aufzeichnungen. Diese Bibliothek wird verfügbar sein, wenn die Barriere verschwindet. In der Zwischenzeit ist die Stadt so etwas wie ein Rettungsboot. Dieser Teil der menschlichen Rasse muß überleben. Das ist unsere größte Sorge. In einem Rettungsboot studiert man nicht Physik. Man kämpft ums Überleben. Wenn man wieder an Land ist, kann man auch wieder studieren. Aber vorerst …“
Die anderen Städte fielen, das Entsetzen herrschte auf der Erde. Vor sechshundert Jahren war es ein Zeitalter von
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