Mias verlorene Liebe
schlecht, überlegte Mia. Glich sie nun ihrer glamourösen Mutter mehr oder eher weniger?
Befangen strich Mia sich die blonden Locken aus der Stirn.
„Es ist einfach praktischer.“
„Ethan hat uns von deinem Erfolg mit dem Café erzählt.“
Erst jetzt drang es in Mias Bewusstsein, dass sie mit ihrem Vater ja nicht allein war. Sie hatte Ethan ganz vergessen, aber jetzt verfolgte sie, wie er das Gepäck in der Eingangshalle abstellte und seine Mutter begrüßte – die Frau, die jetzt mit ihrem Vater verheiratet war.
Grace Black hatte schon damals als Schuldirektorin eine stille Eleganz besessen, aber jetzt als Grace Burton war noch etwas dazugekommen: Zu ihrer makellosen Schönheit gesellte sich die Ausstrahlung friedvoller Gelassenheit. In ihren strahlenden blauen Augen lag ein Ausdruck von Stolz, als sie nun ihren Sohn begrüßte. Und während die beiden Arm in Arm dastanden, konnte man ihnen ihre innige Verbundenheit ansehen.
Was die Kluft zwischen Mia und ihrem Vater nur umso deutlicher machte.
Ethan sah besorgt zu ihnen herüber. Von vornherein war ihm klar gewesen, dass dies keine einfache Begegnung werden würde … aber das Ausmaß der Hürden, die es zu überwinden galt, konnte er nicht abschätzen. Mia war buchstäblich zur Salzsäule erstarrt, und William konnte seine tiefe Enttäuschung über ihr Verhalten nicht verbergen.
„Warum gehen wir nicht einfach hinein?“, schlug Ethan leichthin vor. „Ich könnte mir vorstellen, Mia sehnt sich wie ich nach einer Tasse Tee.“
Mia schenkte ihm einen dankbaren Blick. „Eine schöne Tasse Tee, das wäre jetzt wirklich gut.“
„Aber natürlich!“, stimmte William erleichtert zu. Er trat beiseite und ließ Mia den Vortritt.
Wieder sah Ethan sie voll Sorge an, als er bemerkte, wie blass sie war. In ihren Augen lag ein verwirrter Ausdruck, sie wirkte fast wie betäubt. Sein Ärger ließ schlagartig nach. Er konnte ihren inneren Tumult nur allzu gut nachvollziehen. Noch vor ein paar Stunden befand sie sich in London. In Sicherheit sozusagen. Dort, wo sie sich ein eigenes Leben aufgebaut hatte. Und nun wurde sie von der Vergangenheit eingeholt, der sie sich vor fünf Jahren nur durch Flucht entziehen konnte.
„Mia“, begrüßte Ethans Mutter sie, als sie sich gegenüberstanden.
„Mrs … Grace.“ Mia nickte knapp mit dem Kopf und betrat eilig die Villa.
Obwohl Mia ihn bei der Abreise vor Illusionen gewarnt hatte, war Ethan doch nicht darauf vorbereitet, dass das Wiedersehen derart eisig verlaufen würde. Irgendwie hatte er eine Begrüßung nach dem Motto „alles vergeben und vergessen“ erwartet – sicherlich eine naive Vorstellung.
„Lass ihr einfach etwas Zeit.“ Grace legte beruhigend die Hand auf seinen Arm.
„Sie hatte jetzt fünf Jahre lang Zeit.“ Es gelang ihm nicht, seinen Unmut zu verbergen. Er fühlte sich einfach verantwortlich – immerhin kam diese Begegnung auf seine Initiative hin zustande. Und im Moment sah es ganz so aus, als hätte er sich erstmals im Leben völlig verrechnet.
„Dann spielen ein paar Stunden ja jetzt auch keine Rolle mehr, oder?“ Grace machte sich los, ging zu William und hakte sich bei ihm ein.
Ethan blickte noch einmal zu Mia. Unschlüssig stand sie mitten im Foyer. Offensichtlich fühlte sie sich inzwischen fremd im Haus ihres Vaters und hielt es für unangebracht, einfach ins Wohnzimmer zu marschieren, wie sie es früher getan hätte.
Ethan seufzte auf. „Du …“
„Falls du mir jetzt eine Standpauke halten willst … lass es einfach, okay?“ Ihre Stimme zitterte, und Tränen schimmerten in ihren Augen.
Sofort gewann Ethans Mitgefühl wieder die Oberhand. „Das würde mir nie in den Sinn kommen, Mia“, beruhigte er sie.
Stimmt, dachte Mia reumütig. Wahrscheinlich eine der Hinterlassenschaften seines cholerischen Vaters, überlegte sie. Jedenfalls konnte sie sich nicht erinnern, jemals gehört zu haben, wie Ethan seine Stimme gegen irgendjemanden erhob – nicht einmal, wenn er Kritik oder Missbilligung äußerte.
Mia schluckte schwer. Ihre Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. „Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt! Ich habe dir gesagt, ich wüsste nicht, wie ich auf die Begegnung mit meinem Vater reagieren würde!“ Sie warf einen Blick auf die Terrasse, wo Grace und William einträchtig beieinanderstanden und sich unterhielten.
„Es lief doch alles gut“, besänftigte Ethan sie, der ebenfalls zu den beiden hinaussah. „Ich könnte mir vorstellen, dass meine Mutter
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