Mias verlorene Liebe
William gerade genau dasselbe sagt“, fügte er trocken hinzu.
Stumm betrachtete Mia das harmonische Bild, das die beiden boten. „Sie sind wirklich glücklich miteinander.“
„Sehr.“
„Du hättest mich nicht hierherbringen sollen, Ethan.“
„Warum nicht?“
Das weiß er doch ganz genau! Es musste ihm doch klar sein, wie deplatziert sie sich hier fühlen würde: Sie gehörte einfach nicht dazu. Außerdem kam ihr nur allzu schmerzhaft zu Bewusstsein, dass ihre Eltern nie ein derart harmonisches Paar waren.
Mia war immer davon ausgegangen, dass ihre Kindheit sich nicht von der ihrer Freunde unterschied – es war normal, einen arbeitssüchtigen Vater zu haben und eine Mutter, die ständig aufgrund sozialer Verpflichtungen unterwegs war. Die entweder ins Theater ging oder auf Dinnerpartys – wenn sie nicht selbst Gäste einlud –, und das an jedem Abend der Woche. Mia dachte, die Väter ihrer Freunde würden auch so viel arbeiten, dass sie nicht mit ihren Familien in Urlaub fahren konnten. Kay und sie hielten sich ständig an einem ihrer Wohnsitze auf, die über die ganze Welt verteilt waren. Im Sommer am Meer und im Winter in einem Chalet in Aspen. Bisweilen verbrachte William ein paar Tage mit ihnen am Pool oder auf den Skihängen, und abends trafen sie sich alle drei mit den zahlreichen Freunden ihrer Mutter zum Dinner in einem der angesagten Lokale, die Kay frequentierte.
Nach jenem Unfall änderte sich das natürlich drastisch, aber vorher erschien Mia ihre Kindheit völlig normal und perfekt.
Wenn sie jetzt zurückblickte, wurde ihr klar, wie wenig Zeit ihre Eltern im Grunde miteinander verbrachten, und sie fragte sich, was das über deren Ehe aussagte. Nachträglich kam es ihr eher so vor, als habe die Idylle auf tönernen Füßen gestanden.
„Geht doch schon einmal ins Wohnzimmer, und ich mache uns Tee“, erklang Graces Stimme, die mit William hereinkam.
„Vielleicht würde Mia ja gern mit in die Küche kommen und dir helfen?“ Ethans Worte waren zwar an Grace gerichtet, aber er sah Mia dabei an. In seinem Ton schwang eine deutliche Herausforderung mit.
Mia warf ihm einen wütenden Blick zu, bevor sie sich Grace zuwandte. „Arbeitet denn Marie nicht mehr hier?“ Die lebhafte Französin kümmerte sich um die Villa, wenn sie leer stand, und führte den Haushalt, wenn die Bewohner anwesend waren. Inzwischen mochte sie Mitte fünfzig sein, aber …
„Sie ist vor zwei Jahren in Rente gegangen“, antwortete Grace.
Offensichtlich eine der zahlreichen Neuerungen, die sie als Hausherrin eingeführt hatte!
„Maries Enkelin kam behindert zur Welt, und Marie wollte sich um sie kümmern“, mischte sich William ein. Offensichtlich spürte er Mias unausgesprochene Kritik. „Außerdem möchte Grace gern selbst kochen.“ Er warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. „Jetzt haben wir nur noch eine junge Frau, die zweimal in der Woche zum Putzen kommt.“
Mia nahm den missbilligenden Blick wahr, mit dem William sie bedachte, der aber sofort wieder sanft wurde, als er sich Grace zuwandte. „Ich komme gerne mit und helfe beim Teekochen“, sagte Mia achselzuckend.
„Hast du ein paar von deinen Plätzchen mitgebracht?“, warf Ethan ein.
„Habe ich nicht!“, antwortete Mia scharf, wurde aber sofort rot, als sie an die Schachtel in ihrem Koffer dachte.
Ethan warf ihr einen wissenden Blick zu. „Schade …“
„Ich würde wirklich gern mehr über dein Café erfahren“, mischte William sich jetzt in das Gespräch. In seiner Stimme schwang ehrliches Interesse mit.
„Ach.“ Mia zuckte betont gleichgültig die Schultern. „Es ist einfach nur ein Café wie so viele andere.“
„So ein Unsinn“, unterbrach Ethan sie. „Der Laden ist immer brechend voll, außerdem kann ich persönlich die Qualität der Schokoladenplätzchen mit der Doppelportion Schokolade bezeugen …“
„Wir sind eben gerade ‚in‘ …“
„… die wirklich außergewöhnlich ist“, vervollständigte Ethan seinen Satz.
„Komm, wir machen Tee!“, schlug Grace vor, die spürte, dass das Gespräch einigen Zündstoff enthielt.
Mia wünschte sich nichts weniger, als mit dieser Frau allein zu sein, konnte die Aufforderung aber schlecht ablehnen, ohne eine Szene heraufzubeschwören. Außerdem schwang in Graces Stimme der Ton der einstigen Schuldirektorin mit, die keinen Widerspruch duldete. Brav folgte sie Grace deshalb in die rustikale Küche im rückwärtigen Teil der Villa.
Allerdings würde das Gespräch
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