Mich gibt s ubrigens auch fur immer
seinem Hippie-Camp mag er das Oberhaupt sein, aber von den drei Mädels, die an ihm rumzerren und aufgeregt auf mich deuten, ist er merklich überfordert. Und gleich soll er mich noch einem Mann in die Arme werfen, den er noch nie in seinem Leben gesehen hat.
»Toll siehst du aus«, sagt er, und ich versuche zu übersehen, dass er feuchte Augen hat. Habe immer noch keine Ahnung, wie man mit heulenden Vätern umgeht. Ich hake ihn deshalb betont munter unter und sage: »Ich glaube, es kann losgehen.«
Fast stolpere ich.
»Langsam«, erinnert mich Chadni.
Natürlich nutzt sie nach diesem Beweis meiner Tollpatschigkeit die Gelegenheit, meinen Freundinnen zu erzählen, wie ich mich ihrem Vater direkt vor die FüÃe geworfen habe.
Als wir rausgehen, blinzele ich gegen die Sonne. Es ist zwar kalt, aber gleiÃend hell. Einer dieser perfekten Märztage, die Vorfreude auf einen blühenden Frühling wecken. Ich setze mich im Taxi auf den Beifahrersitz, während die anderen sich auf die Rückbank drängen. Dem Kichern und Schnattern der Mädels kann ich nicht lange folgen, ich bin so aufgeregt, dass kein Ton mehr durch meine zugeschnürte Kehle dringen kann. Mir ist flau im Magen, aber nicht unangenehm. Eher wie Lampenfieber vor einem groÃen Auftritt, auf den man sich lange gefreut hat.
Wie durch einen Nebel sehe ich mich selbst. Begleitet von meinen Freundinnen und meinem Vater gehe ich gemessenen Schritts auf den bereits überfüllten Pavillon vor dem Landgasthaus zu. Trotz der Kälte muss die Zeremonie drauÃen vollzogen werden, weil die Feuerschutzbedingungen es einfach nicht zulassen, dass wir im Saal des Landgasthauses einen kleinen Brand entfachen. Und ohne Flammen, in die man Popcorn werfen kann, keine indische Hochzeit. Der riesige Pavillon erinnert an ein Zirkuszelt â mit Stoffbahnen in lila und orange. Ich habe ihn vorher nicht gesehen, weil sich um diesen ganzen Teil der Angelegenheit Hrithiks Familie gekümmert hat. Verwirrt kneife ich die Augen zusammen, weil ich wirklich kein bekanntes Gesicht entdecken kann. Erleichtert mache ich am Ende doch Alexander und Paul in der Menge aus, als sich Toni und Juli unter den missbilligenden Blicken der indischen Verwandtschaft in ihre Arme werfen, um sie abzuknutschen. Chadni, die bei diesem Anlass treuer als meine Freundinnen an meiner Seite steht, seufzt schwer: »Sehr ungehobelt diese öffentliche Zurschaustellung von Gefühlen ⦠aber ein wenig beneide ich euch
darum.«
Ich strahle sie an und gebe ihr kurzerhand auch einen Kuss auf die Wange. Ãberrascht sieht sie mich an, aber ich lasse meinen Blick einfach weiter schweifen. Und da stehen sie alle, Lothar und Lilly, dezent Händchen haltend und strahlend vor Glück. Und Elizabeth mit einem freundlich aussehenden älteren Herrn, der wohl ihr Ehemann sein muss. Sie winken mir zu. Ihre Auren vermischen sich. Es ist ein kräftiges, optimistisches Orange.
»Vergiss es«, zischt Chadni, die sich von meiner Attacke wieder erholt hat. »Du fängst jetzt nicht an zu flennen, der ganze Kajal verwischt sonst.«
Ãberrascht fasse ich mir ans Auge. Ich hatte die kleinen Rührungstränen gar nicht bemerkt. Ich tupfe sie vorsichtig weg. Chadni hat recht. Ich muss nicht mit schwarz verfärbten Tränensäcken vor den Altar treten. Willenlos lasse ich zu, dass mein Vater mich zu Hrithik führt. In seinem goldenen Kaftan mit den braunen Stickereien und dem langen Schal in Rottönen sieht er endgültig aus wie ein Bollywood-Film-Star. Ich weià nicht, ob ich ihn verdient habe, aber ich will ihn. Mehr als alles andere. Verlegen schaut er an sich runter und grinst. »Du wusstest, worauf du dich einlässt. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.«
Kurz drücke ich fest seine Hand. »Du siehst toll aus«, raune ich ihm zu.
»Das wäre eigentlich mein Text. Du bist umwerfend.« Er schaut mich so stolz an, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass er wirklich mich sieht. Innerlich verneige ich mich vor Chadnis Gespür für Farben. Ich schaue ihn an und verfalle in Ehrfurcht vor unserem nächsten Schritt. »Für immer« ⦠wenn es gut läuft. Das ist so viel gröÃer als alles, was ich bisher erlebt habe. Das erhabene, schwebende Gefühl währt nicht lange. Der weià gewandete Priester ist da, und kurz fühle ich mich in einen dieser Träume versetzt, in denen man eine
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