Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
eingekleidet war, gingen wirnoch in die Unterwäscheabteilung. Dort suchte sie ein paar Schlafanzüge, Unterhosen und Unterhemden aus. Dann blieb sie vor den Büstenhaltern stehen. Ich wurde ziemlich verlegen. Wozu brauchte ich so etwas? Ich hatte doch nur einen ganz kleinen Busen. Aber sie sagte unwirsch: »Jetzt stell dich nicht so an, so was braucht man als verheiratete Frau«, und drängelte mich in die Umkleidekabine. Danach gingen wir noch in die Knabenabteilung, Mustafa sollte auch neue Sachen bekommen. Stunden später machten wir uns, mit vielen Tüten beladen, wieder auf den Heimweg.
An diesem Abend war ich glücklich. Als wir nach Hause kamen, warteten schon alle. Mutter und ich beeilten uns mit dem Abendessen. Heute gab es Fleisch mit Bohnen. Auch der Schwiegervater hatte gute Nachrichten. Seit Tagen war er mit einem Cousin unterwegs gewesen, um für unsere Hochzeitsfeier ein geeignetes Lokal zu finden. Jetzt war er endlich fündig geworden: Im Nachbardorf gab es eine Gastwirtschaft mit einem großen Saal. Das musste sein, denn zu unserer Hochzeitsfeier sollten 200 bis 300 Gäste kommen. Es hatte hier in der Gemeinde noch nie eine große türkische Hochzeit gegeben. Mustafas Eltern gehörten zu den ersten Türken im Dorf, und sie lebten erst seit ein paar Jahren hier. Ich wollte wissen, wo das Lokal sei. Schließlich war es auch meine Hochzeit. Also fragte ich meinen Schwiegervater. Umständlich erklärte er mir den Weg zum »Weißen Schwan«. Ob er sich wohl darüber im Klaren war, dass ich das Haus nur in Begleitung und zu Fuß verließ? Seine Wegbeschreibung sagte mir überhaupt nichts, aber zumindest hatte er es versucht.
Mustafa war mir in den letzten Nächten nicht mehr zu nahe gekommen. Gott sei Dank musste ich immer lange arbeiten, so dass ich sehr viel später als er ins Bett ging und er dann immer schon schlief. Über jene Nacht haben wir nie gesprochen, aber er muss gespürt haben, dass er zu weit gegangen war. Jedenfalls hatte er mich seither in Ruhe gelassen. Und ich? Ich versuchte sie zu vergessen und hoffte auf ein Wunder, glaube ich. Jetzt, wofeststand, wann wir endlich Hochzeit feiern würden, wurde ich einerseits ruhiger, aber auch nervöser, weil ich nicht wusste, was passieren würde, wenn es herauskam.
Ein Brautkleid gab es schon. Mutter hatte es organisiert. Die Tochter einer ihrer Freundinnen hatte vor einer Weile geheiratet, und ich sollte nun dieses Kleid tragen. Eines Abends, die anderen waren schon im Bett, packte sie unsere Arbeit beiseite und holte es aus dem Schrank. Es war nichts Besonderes: Lang, tailliert, weiße Spitze und ein kurzer Tüllschleier. Meine Vorgängerin muss um einiges größer gewesen sein, denn das Kleid war mir viel zu lang und zu weit. Es dauerte zwei Abende, bis es geändert war. Danach saß es besser, aber gefallen hat es mir nicht. Hätten sie nicht ein neues Kleid kaufen können? Schließlich heiratete man doch nur einmal im Leben, oder?
Mein »großer Tag« rückte näher. Aber von den Vorbereitungen merkte ich wenig. Den Saal für die Feier hatte der Schwiegervater gebucht. Das Essen war ausgesucht, die Gäste eingeladen, vom Rest bekam ich nichts mit. Normalerweise dauert eine türkische Hochzeit drei Tage. Bei mir fand alles an einem Nachmittag bzw. Abend und dem darauf folgenden Tag statt. Traditionell findet am zweiten Tag vor der Hochzeit die Hennanacht statt. Es ist das Fest der Frauen, wo die Freundinnen der Braut in ihr Elternhaus kommen und Abschied nehmen. Sie essen, singen und tanzen miteinander. Es gibt Geschenke für die Braut, und viele Tränen fließen. Der Höhepunkt des Fests ist die Bemalung mit Henna. Das rotbraune Pulver wird angerührt, und dann werden die Handflächen und die Füße der Braut bemalt. Auch die anderen Frauen bemalen sich mit Henna als Zeichen der Verbundenheit, allerdings nur ihre rechte Hand. Die Farbe Rot steht für die Unschuld der Braut, glaube ich.
Bei mir war alles anders. Da ich nicht mehr in meinem Elternhaus lebte, mussten wir auf die Wohnung meiner im Haus lebenden Tante ausweichen. Dort fand zunächst das traditionelle Bad statt. Tante Gül badete und rasierte mich. Dabei wird die Braut enthaart – überall, der ganze Körper muss haarfrei sein.
Ich glaube, das macht man als Zeichen ihrer Reinheit. Ich erinnere mich, dass das sehr schmerzhaft war, aber es musste wohl sein. Bei dieser Gelegenheit hat mir die Tante auch einiges über die Hochzeitsnacht erzählt. Was der Mann will und mit einem
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