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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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katholischen Kaisers steht und keineswegs mit ketzerischen Bauern ist. Ich glaube auch, gehört zu haben, daß die Bibel uns Gehorsam gegen unsere Obrigkeit gebietet. Und es steht, glaube ich, auch geschrieben, man solle Gott geben, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist. Wie ich die Dinge sehe, gehören Leben, Ehre und Gut eines Menschen dem Kaiser, seine Seele aber Gott.«
    Bevor ich ihm eine vernichtende Abfuhr erteilen konnte, ging die Tür auf. Herein tänzelte ein leichtfüßiges Frauenzimmer mit roten Wangen und lächelndem Mund. Sie trug ein 2erlumptes Kleid; eine Feder baumelte ihr am Hut, und im Eintreten summte sie ein melancholisches Liedchen:
     
    »Monsieur de la Palice est mort,
    Mort devant Pavie.
    Un quart d’heure avant sa mort
    Il était encore en vie. «
     
    Die Witwe des Gewürzhändlers schnaubte vor Entrüstung:
    »Da ist sie, die garstige Dirne, die Meister Andy aus Italien mitgebracht hat. Zeigt ihr den Stock, Meister Michael, und jagt sie aus meinem ehrbaren Haus!«
    Als ich aber die Stimme der Frau hörte und ihre Züge erkannte, sprang ich auf, als stünde der Leibhaftige vor mir; denn da stand – leicht schwankend, aber sehr lebendig – Madame Geneviève aus dem Haus des Pariser Reliquienhändlers. Bei meinem Anblick stieß sie einen Freudenschrei aus, umarmte mich und küßte mich auf beide Wangen, bevor ich sie abschütteln konnte.
    Aus Andy war alles Leben gewichen. Er schrumpfte förmlich auf seinem Sitz zusammen und sagte kleinlaut:
    »Verzeih mir, Michael! Ich konnte es nicht hindern. Seit Pavia hängt sie wie eine Klette an mir. Sie hat mir das Leben so zur Last gemacht, daß ich hoffe, du wirst sie mir abnehmen. Wenn ich nicht irre, hast du sie einmal recht gerne gesehen, und sie steht auch noch in deiner Schuld für gewisse Gefälligkeiten.«
    Ich stand wie vom Donner gerührt und brachte kein Wort hervor. Madame Geneviève setzte sich in etwas leichtfertiger Stellung hin, zog ihr Kleid vorne herab, so daß es einiges freigab, und verschlang mich mit Blicken, als wäre sie ein Hund und ich ein Stück Fleisch.
    Sie summte ihr Liedchen fort, bis ich mich ermannte und zornig sprach: »Gott helfe uns allen! Ich habe von Pavia mehr als genug gehört, und es reicht mir fürs ganze Leben – und wenn du diese edle Dame als Teil deiner Beute den langen Weg von Pavia hierhergebracht hast, Andy, dann bist du noch dümmer, als ich dachte, und hast mir, weiß Gott, keinen Dienst erwiesen.«
    Madame Geneviève dachte offenbar, mir gefiele ihr Liedchen nicht, und sie sagte gekränkt: »Monsieur de la Palice war ein besserer Mann als ihr beiden! Die Franzosen machten dieses Lied auf ihn nach der Schlacht. Umzingelt von mehr als hundert Spaniern, kämpfte er allein bis zum letzten Atemzug, obwohl sein Augenlicht getrübt, ein Arm ihm an der Schulter abgehauen worden war und er eine klaffende Wunde am Oberschenkel davongetragen hatte.«
    Ich versuchte, sie zum Schweigen zu bringen, um meine Gedanken zu sammeln; aber ebensogut hätte man ein Mühlrad zum Stehen bringen können.
    »Wenn jemand, so kann ich für seine Männlichkeit bürgen, denn er schenkte mir seine Gunst und am Morgen zwanzig Goldstücke in einer herrlich gestickten seidenen Börse. Und, ob ihr’s glaubt oder nicht, der König von Frankreich hat mir die Hand – und auch andere Stellen – geküßt, denn er war ein artiger Ritter, der das Lagerleben langweilig fand.«
    Sie plapperte noch lange in dieser Tonart weiter und ließ uns keinen Zweifel, daß sie in ihrem erwählten Beruf außergewöhnlich erfolgreich gewesen war.
    »An Ritterlichkeit und Freigebigkeit und in den Künsten der Liebe kann sich niemand mit den französischen Rittern messen«, fuhr sie fort. »Und Gott weiß, allein die Söldner haben mir Unglück gebracht, denn sie beraubten mich meiner Kleider, meiner Schönheitsmittel und Salben und aller Habe, welche mir mein Fleiß im französischen Lager eingebracht und die ich gespart hatte, um mir und meinen Kindern ein sorgloses Leben zu sichern.«
    »Jesus Maria!« rief ich, ohne auf Andys warnende Grimassen zu achten. »Habt Ihr Kinder, meine liebe Madame Geneviève?«
    Andy fiel ein.
    »Michael, mein lieber Bruder, ich bitte dich, glaube nicht alles, was diese Frau dir erzählt. Sie will einen Knaben und ein Mädchen haben, die bei Pflegeeltern in Tours untergebracht seien. Der Junge soll bald fünf Jahre alt sein – und obwohl ich’s nicht glaube, hat sie mich doch an sich gekettet, weil sie

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