Michael, der Finne
Häusern brannten Lichter, und die guten Bürger packten ihre Habseligkeiten zur flucht in Truhen und Bündel, obwohl sie nicht wußten, wohin sie fliehen wollten. Bewaffnete Bauern rannten ziellos in den Straßen umher. Die Trommeln und die Glocke schwiegen nun; nur eine beharrliche Trompete auf dem Marktplatz blies zum Sammeln.
Müntzer und der bürgerliche Feldhauptmann standen an der Kirchentür, und der kleine Marktplatz vor ihnen steckte voller Bauern. Der Offizier sagte eben, fremde Reiter seien von Westen gekommen und einige bis an die Stadt vorgedrungen; Müntzer aber erwiderte, das sei Unsinn, weil der Feind von Osten erwartet werde. Niemand könne von Westen kommen, ohne vorher Erfurt und Mühlhausen zu nehmen. Müntzer zitterte vor Kälte trotz seines kostbaren Pelzmantels, aber sein Mut schwoll mit zunehmendem Tageslicht, und er fing an zu predigen, um sich warm zu halten. Seine Predigt wurde jedoch bald durch die Ankunft des zweiten Feldhauptmanns unterbrochen, des Edelmanns, der an die Kirchentür heransprengte, sich aus dem Sattel schwang und meldete, feindliche Reiter seien in der Dämmerung eingeritten, um die westlich der Stadt lagernden Bauern anzugreifen und zu zersprengen. Die Bauern hätten sich ungeordnet zurückgezogen und in der Stadt Zuflucht gesucht. Viele seien gefallen. Die Büchsenschützen auf der Stadtmauer hätten das Feuer eröffnet und die Angreifer sich in die Wälder zurückgezogen; doch könne man nicht sagen, wer und wie viele sie seien, weil die Schätzungen zwischen zehn und tausend schwankten.
Andy trat vor und bemerkte, die Bauern könnten nicht gut zählen, da seinem sicheren Wissen nach der Trupp nur zwanzig Mann stark sei. Ihre Hauptmacht könne nicht weit zurück sein; es seien Leute des Markgrafen von Hessen, wie er gar wohl wisse, denn sie seien ihm die ganze Nacht auf den Fersen gewesen und hätten sich kein Blatt vor den Mund genommen.
Dieser Bericht verfehlte seine Wirkung auf die Hauptleute nicht, doch widerstrebte es ihnen, daran zu glauben. Während der folgenden Besprechung kam eine Wache vom Stadttor mit der Meldung gelaufen, eine Schar von etwa zweihundert Reitern nähere sich langsam von Westen der Stadt. Sogleich erging der Befehl an Heer und Troß, die Stadt in guter Ordnung durch das Osttor zu verlassen und außerhalb der Stadt eine Wagenburg zur Verteidigung zu errichten.
Von guter Ordnung war freilich keine Rede, da die Fahrer in ihrem Bestreben, aus den schmalen Gassen herauszukommen, auf ihre Gespanne einhieben, bis Lafetten und Wagen ineinandergeschachtelt waren; am Tor herrschte ein solches Gedränge, daß es viele Rippenbrüche absetzte. Ich weiß kaum, wie wir die Kanonen fortgebracht hätten, wenn nicht Andy den Befehl übernommen hätte; er wanderte gelassen durch den Haufen und brüllte unausgesetzt, im Kriege gäbe es keine Eile, und mit der Weile komme man am ehesten ans Ziel.
Die Wagenburg wurde einen Kanonenschuß von der Stadt auf einem flachen Erdwall errichtet. Während die Wagen noch in endlosem Zug aus dem Tor strömten, hoben wir unsere Stellungen aus, verstärkten die Vertäuungen und richteten die Feldschlangen nach Süden, woher wir den Angriff der Reiter erwarteten. Während Andy die schweren Geschütze betreute, musterte ich die Arkebusiere und stellte sie im Schutze der Wagen in Schützenlinie auf, hieß sie ihre Waffen bereithalten und ihre Lunten anbrennen, aber nicht feuern, bis sie die Gesichter der Reiter unterscheiden könnten.
Der Feind hatte die Stadt im Bogen umgangen und kam nun plötzlich in Sicht. Die Fahrer, die noch nicht bei uns angelangt waren, verließen eiligst ihre Gespanne und flüchteten auf unseren Stützpunkt zu; die Soldaten, die daneben marschierten, verloren den Kopf und rannten gleichfalls. Diesem Anblick konnten die feindlichen Reiter nicht widerstehen. Wir hörten einen Trompetenstoß; die Reiter schlossen auf, fällten die Lanzen und stoben davon, die Fliehenden abzuschneiden und niederzumähen.
Beim Schall der donnernden Hufe und der klirrenden Rüstungen warfen die Fliehenden ihre Waffen weg und wandten sich nach Norden, der Stadtmauer entlang; die Reiter folgten ihnen auf den Fersen. Die Tore blieben ihnen, ungeachtet ihres Klopfens und jämmerlichen Geschreis, verschlossen. Doch da brüllte unser erstes Geschütz auf; die vier anderen folgten, und große Rauchwolken stiegen vor uns auf. Aus zweitausend Kehlen stieg ein Schrei empor, als wir einige Reiter stürzen und die übrigen in
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