Michael, der Finne
auf, wo er Gesandte des Vatikans, Venedigs, der anderen italienischen Staaten und auch Englands empfing, und eine Heilige Allianz bildete, mit dem Ziel, einen neuen Krieg gegen den Kaiser zu führen. Schon im Sommer war dieser in vollem Gange, und die vereinigten Heere zogen auf das unglückliche Mailand, das nun, seit dem kürzlichen Hinscheiden Pescaras, unter dem Befehl des Herzogs von Bourbon stand.
Andy aber meinte, die Sache des Kaisers sei nun verloren und statt zu den Kaiserlichen wolle er lieber nach Ungarn gehen und gegen die Türken kämpfen; dort würde er wenigstens das ewige Heil erlangen, wenn er fiele, und reiche Beute, wenn er mit dem Leben davonkäme. Ich bestärkte ihn in diesem rühmlichen Vorhaben, denn in dieser unruhigen Welt müsse ein Christ, wenn er seiner gerechten Sache sicher sein wolle, gegen die Türken, und nur gegen diese, kämpfen. Es stellte sich freilich heraus, daß der Sultan auf selten des Heiligen Vaters kämpfte, und wir hörten, er habe ein großes Heer aufgeboten, um nach Ungarn zu ziehen und die kaiserlichen Länder im Südosten in Schach zu halten, während die Truppen seines Verbündeten, des Papstes, gegen Mailand zogen.
Als Andy davon erfuhr, meinte er: »Nun ist in der Tat der Teufel los! Gott helfe mir, selbst ich könnte zum Lutheraner werden, wenn ich denke, daß Papst und Türke als Verbündete gegen Christen kämpfen!«
Ich riet ihm, derlei gefährliche Gedanken für sich zu behalten, jedenfalls in Ungarn, das sich einbildete, die Türken im Namen der heiligen Kirche und des katholischen Glaubens zu bekriegen. So nahmen wir denn traurig Abschied voneinander, und er lieh mir zwanzig Dukaten für meine Studien, weil er es für unnötig hielt, viel Geld bei sich zu tragen, wo es, falls das Schicksal ihn nicht mehr heimkehren ließ, einem so guten Zweck zugewandt werden konnte.
Ich fürchtete sehr, ich hätte ihn nun zum letztenmal gesehen, denn aus Venedig und Ungarn drangen abscheuliche Berichte von der unmenschlichen Grausamkeit der Türken an unsere Ohren. Eben deshalb verhieß die Kirche allen, die im Kampf gegen die Ungläubigen fielen eine unverzügliche Himmelfahrt. Dies war denn auch mein größter Trost, als wir schieden.
Mein Leben wäre wohl in geruhsamen Bahnen verlaufen und hätte mir Ehren und Ruf als Gelehrter eingetragen, wäre ich nicht aufs neue Doktor Paracelsus begegnet. Um aber von ihm und meinem Abschied von Basel zu berichten, muß ich ein neues Buch beginnen. Dies wird hoffentlich das letzte über die Wanderfahrten meiner Jugend sein, denn das Schreiben hat mich müde gemacht. Doch muß ich noch schildern, wie mein Eid in Erfüllung ging; so setze ich denn meine Geschichte fort, obwohl ich nun die Feder in Blut tauchen und auf schwarzes Papier schreiben sollte.
ZEHNTES BUCH
DIE PLÜNDERUNG ROMS
1
Doktor Paracelsus war dazumal für seine Wunderkuren in ganz Deutschland berühmt; so begegneten wir einander unerwartet in der Schankstube bei den Drei Königen wieder. Das Unerwartete daran war nicht so sehr, ihn in einer Schenke anzutreffen; an solchen Orten war er ja zu Hause. Das Wunder war vielmehr, ihn hier in Basel wiederzufinden, wo er doch seine Praxis in der schönen Stadt Straßburg, weit im Norden am Unterlauf des Rheins, ausübte.
Ich erkannte ihn sogleich, obwohl trotz seiner Jugend sein Haar sich gelichtet und Sorgen, Wanderfahrten und unmäßiges Trinken sein Gesicht gezeichnet hatten. Ich lief auf ihn zu und wollte ihn umarmen; er aber empfing mich gar unfreundlich und tastete nach seinem großen Schwert, worüber ich ihm Vorwürfe machte. Dann sprach ich von der Vergangenheit und dem Blutbad von Stockholm, da er jenes Schwert erworben hatte. Ich nannte ihm meinen Namen und gab mich als sein früherer Gehilfe und Schüler zu erkennen.
Er stierte mich aus seinen vom Trunk verschwommenen Augen an und sagte zornig: »Einundzwanzig meiner früheren Schüler baumelten schon am Galgen, wohin sie gehören, und kein einziger blieb mir länger als drei Monate treu. Sie spionieren meine Geheimnisse aus und schleichen davon, um in aller Welt mit ihren Studien bei mir zu prahlen und meinem guten Ruf durch ihr unvollkommenes Wissen zu schaden. Hol dich der Teufel, so du einer von ihnen bist.«
Endlich aber entsann er sich meiner und wurde freundlicher. Wie er mir erzählte, hatte der berühmte Drucker Frobenius, dessen eines Bein durch einen Schlaganfall gelähmt war, ihn aus Straßburg kommen lassen. Die unfähigen Basler Ärzte
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