Michael, der Finne
Hof gestürzt und schrie, was in Teufels Namen vorgehe und ob er nicht mehr Herr im Schlosse sei. Er beruhigte sich aber beim Anblick des königlichen Siegels und Briefes, den er eine Weile unentschlossen in Händen hielt. Schließlich führte er uns hinein, obgleich ich kein sehr willkommener Gast mehr war.
In der großen Halle, wo Doktor Hemming saß, brannte ein gewaltiges Feuer. Er humpelte auf mich zu, und als er sah, wer gekommen war, streckte er die Hand segnend aus, was Schloßhauptmann Nils gegen mich freundlich stimmte. Ich hatte kaum Zeit, das Bier zu kosten, das sie mir brachten, als auch schon beide mit Fragen über mich herfielen: Was war in Stockholm geschehen? War es wahr, daß der und der heimtückisch gemeuchelt worden war? Wieviel von allen diesen fürchterlichen Gerüchten sollten sie glauben?
Ich dachte eine Weile nach, unschlüssig wie ich vorgehen sollte, sah aber keinen Ausweg, erhob mich und sprach: »Dies alles ist wahr und noch mehr, aber wir haben keine Zeit, es zu erörtern. Lieber Doktor Hemming, es wird am besten für Euch sein, wenn Ihr Eure Gedanken von weltlichen Dingen abwendet und Eure Seele Gott empfehlt. Seine Majestät König Christian hat Euch eine schöne Pfründe zugedacht – aber im Himmel. Noch diese Nacht sollt Ihr in die Freuden des Paradieses eingehen. Mir wurde der Auftrag, Euch auf den Weg zu helfen, obwohl ich es schweren Herzens tue. Ihr seid stets so freundlich zu mir gewesen und habt mich besser behandelt als mancher Vater seinen eigenen Sohn.«
Obwohl ich so sanft und höflich wie möglich gesprochen hatte, war Seine Ehrwürden Electus Hemming sehr erbost und rief: »Dies ist ungeheuerlich, unmöglich! Ich weigere mich, an solch schwarzen Verrat zu glauben, denn ich besitze Seiner Majestät Geleitbrief und verweise Euch darauf.«
Ich reichte ihm den Haftbefehl und den schriftlichen Befehl Seiner Majestät, ersuchte den Schloßhauptmann, sie auch zu lesen, und entgegnete: »Die Sache verhält sich so wie ich sagte: Doktor Hemmings Hinrichtung muß unverzüglich erfolgen, und der Schloßhauptmann ist verpflichtet, mich dabei zu unterstützen. Dennoch will ich Doktor Hemming gern gestatten, vor diesem schmerzlichen Ereignis, das uns alle, die wir seine Freunde sind, mit Kummer erfüllt, die Sakramente zu empfangen. Er soll auch ein ehrenvolles Begräbnis erhalten, da ich keinen ausdrücklichen Auftrag habe, seine Leiche verbrennen zu lassen. Ich beschwöre Euch beide, rasch zu handeln, um mir meine bittere Pflicht nicht noch schwerer zu machen.«
Der Schloßhauptmann erwiderte fluchend, er wolle lieber selber am Galgen baumeln, als einem so schändlichen Befehl gehorchen. Er zog das Schwert und hätte mich gar wohl durchbohren können, hätte Doktor Hemming ihn nicht zurückgehalten, und ich war über sein törichtes und ungebärdiges Verhalten sehr entsetzt. Er begann nach seinen Dienern zu schreien, hieß sie Waffen nehmen und das Schloß verteidigen; aber niemand gehorchte ihm, denn der gute Söldnerhauptmann Gissel hatte bereits seine Leute an ihre Plätze gestellt. Seine fünf Arkebusiere waren im Schloßhof und auf der Treppe postiert, ihre Waffen auf der Gabel und mit brennender Lunte, bereit, auf jeden zu schießen, der Widerstand versuchte. Als Hauptmann Gissel die Wutschreie des Schloßhauptmannes hörte, trat er in die Halle und hieß ihn sein Schwert übergeben und den Befehlen Seiner Majestät gehorchen. Aber selbst dann verstand Nils Eskilsson noch nicht und schwor, er wolle lieber alle echten Männer zum Aufruhr aufhetzen und seine Haut so teuer wie möglich verkaufen, statt einem so treulosen Herrscher zu gehorchen.
Und er fügte hinzu: »Es ist eine Freude, an den Preis zu denken, den jener blutige Tyrann für seinen Verrat wird bezahlen müssen.«
Der gute Hauptmann mußte zwei Reisige herbeiholen, die Nils in einer Ecke stellten; erst dann löste er seinen Gürtel und ließ sein Schwert zu Boden fallen.
Da erbleichte Doktor Hemming und sprach mit ruhiger Stimme zu ihm: »Wenn man bis an den Hals im Sumpf steckt, hilft es nichts, um sich zu schlagen. Ihr hättet meinen Rat befolgen, Eure Besatzung entlassen, die Schloßverteidigung selbst in die Hand nehmen und abwarten sollen, ob die Gerüchte sich bestätigen oder als haltlos herausstellen. Dann hätten wir über unsere Zukunft selbst bestimmen können. Nun aber sind wir an Händen und Füßen gebunden und werden wie Herdentiere zu Paaren getrieben. Seid klug; ergebt Euch und bittet diese
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