Michael, der Finne
guten Männer, Eure voreiligen Worte zu vergeben und zu vergessen. Was mich betrifft, so fühlt mein graues Haupt bereits die Kälte des Todes, die es umschwebt.«
Zu mir und Hauptmann Gissel gewandt, fuhr er in ehrerbietigem Ton fort: »Nehmt mein altes Haupt, wenn Ihr wollt; es ist des Bösen und der Treulosigkeit überdrüssig, die heute auf der Welt blühen. Aber verschont diesen Mann, denn er ist noch jung und von edler Abkunft, und es wäre nicht recht, ihn für ein paar unbedachte Worte leiden zu lassen.«
Der Kapitän ließ Nils auf sein Gemach gehen und dort bewachen. Ein Dominikanerbruder vom Kloster Viborg war zufällig im Schloß und hörte sogleich Doktor Hemmings Beichte, erteilte ihm die Lossprechung und spendete ihm das heilige Sakrament. Es gab keinen Henker in Viborg. Aber ein deutscher Söldner erklärte sich für das übliche Entgelt von drei Silbergroschen freiwillig zur Exekution bereit. Ein schwerer Birkenklotz wurde eine Anhöhe in der Nähe des Schlosses hinaufgerollt, und darum versammelte sich eine Menschenmenge – Diener, Dienstmädchen und Leute vom benachbarten Markt. Viele weinten bitterlich, denn der gute Doktor erfreute sich allgemeiner Achtung und hohen Ansehens im ganzen Land.
Er trat allein und ungeleitet an den Block, leerte den Becher des Scharfrichters und sprach zur Menge.
»Weint nicht um mich, ihr guten Leute! Ich empfange nicht mehr als die verdiente Strafe dafür, daß ich den schönen Versprechungen eines Königs mehr traute als meinem eigenen Herzen und meiner Erfahrung mit den Eiden der Fürsten. Zu meiner Verteidigung habe ich nichts zu sagen, als daß ich glaubte, ich brächte den Frieden statt des Schwertes und ein Freundschaftsbündnis statt unaufhörlichen Blutvergießens. Aber die Ereignisse haben mich eines Besseren belehrt: es kann keine Versöhnung mit einem Feind geben, der stets sein Wort bricht. Weint lieber um unser armes Land, denn solange dieser Mann auf dem Thron sitzt, wird keines Menschen Hals sicher sein, sei er hoch oder niedrig, arm oder reich; zum Zeichen dessen werdet ihr mein weißes Haupt in den Staub rollen sehen, obwohl ich ein Mann Gottes bin und unter dem Schutz der heiligen Kirche stehe.« Er hielt inne, um Atem zu schöpfen, richtete sich zu seiner ganzen Größe auf, und nun erkannte ich in ihm den Führer, der er in den Zeiten seiner Stärke gewesen war.
Er hob das Antlitz zum düsteren Dezemberhimmel und donnerte mit schrecklicher Stimme: »Höre mich, Gott in Deinem Himmel! Möge mein Blut von der Erde zu Deinem leuchtenden Thron aufschreien! Denn hier, wo ich stehe, verfluche ich König Christian, diesen Mann des Blutes, für alles Übel, das er verbrochen hat. Ich verfluche ihn mit all der geistlichen Gewalt, die Deine heilige Kirche auf Erden mir verliehen hat; und vor Deinem Angesicht, Allmächtiger Gott, rufe ich aus: Mag er hier in diesem Leben die Strafe für seine Ungerechtigkeit erleiden! Mag er seine Länder und die Krone verlieren, die er entehrt hat. Mag er als armer Mann in Elend zugrunde gehen, verfolgt von allen und verleugnet von Dir! Möge ihm dies alles nach seinen Verdiensten widerfahren. Höre mein Rufen, Allerheiligster Gott!«
Seinem Fluch wohnte so viel Würde und Kraft inne, daß sich selbst die Söldner bekreuzigten und alle Leute nach oben blickten, als erwarteten sie, daß sich der Himmel öffne. Auch ich blickte auf nach irgendeinem Zeichen, sah aber nur den grauen Winterhimmel. Als Doktor Hemming geendet hatte, reichte er dem Henker seine Börse und kniete bescheiden in den Staub, indem er die Schöße seines Talars unter seine Knie steckte. Dann legte er den Kopf auf den Block und schloß die Augen. Der Deutsche hob das Schwert mit beiden Händen und trennte mit einem Hieb den Kopf so säuberlich ab, daß er auf den Boden rollte. Dann wurden Kopf und Körper in Tücher gehüllt und zur Kapelle getragen, wo der Dominikaner die Totenmesse las.
Hauptmann Gissel betrachtete sich nun als Schloßhauptmann und bat mich, für ihn bei Junker Thomas ein gutes Wort einzulegen, daß er die Ernennung bestätige. Wir nahmen gemeinsam ein reichliches und wohlverdientes Mal ein, sprachen mit Gefühl von Doktor Hemming und seinen Vorzügen und bedauerten, daß ein so guter und gelehrter Mann ein so trauriges Ende finden sollte. Aber der Ex-Schloßhauptmann hämmerte an seine Tür und störte uns. Und nachdem wir einen Humpen seines besten Weines geleert hatten, sprach Hauptmann Gissel traurig:
»Was sollen wir mit
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