Michael, der Finne
Demut die Werke der Kirchenväter, darunter die Summa des heiligen Thomas von Aquin, die schon klügeren Männern als mir manch harte Nuß zu knacken gab.
Die Tage wurden länger, die Schneewehen schmolzen, aber mit dem Frühling kamen beängstigende Nachrichten, welche die Skiläufer und Robbenfischer des Bottnischen Meerbusens von der schwedischen Küste mitbrachten. Es hieß, daß ein feuriger Jüngling namens Gustaf Eriksson, dessen edler Vater in Stockholm zusammen mit anderen seinesgleichen als Ketzer enthauptet worden war, das Banner des Aufruhrs zu Dalarna gehißt und eine große Schar von Bauern um sich gesammelt hatte, die sich weigerten, ihre Waffen den Beamten des Königs auszuliefern, und die die hohen Steuern haßten. Diese Bauern hatten bereits eine Anzahl königlicher Offiziere und harmloser Steuereinnehmer getötet, und kein Däne konnte zwischen zwei schwedischen Festungen ohne bewaffnetes Geleit reisen.
Auch in Südfinnland, in der Gegend von Wanda und Raseborg, wo noch Schnee lag, begannen wendige Skiläufer die Steuerbeamten zu überfallen und pflegten schwerbewaffnete Reiter mit Pfeilen anzugreifen, wohl wissend, daß die Reiterei Seiner Majestät ihnen in ihre Schlupfwinkel in den Wäldern nicht folgen konnte. Die Skiläufer raubten ganze Wagenladungen von Steuergeldern Und sperrten einmal einen Richter mit seinem ganzen Gefolge im Gerichtssaal ein, verriegelten Fenster und Türen und verbrannten ihn und alle seine Leute bei lebendigem Leibe. Niemand wußte, woher diese schnellen Läufer kamen oder wohin sie gingen. Vermutete es einer, so wagte er es doch nicht anzudeuten, aus Angst, daß man ihm in einer dunklen Nacht die Kehle durchschneiden oder seine Hütte anzünden könnte. Infolgedessen lebten alle friedlichen, gesetzestreuen Bürger in ständiger Angst und fürchteten die schnellen Skiläufer der Wälder ebensosehr wie Junker Thomas’ Reiter, deren jeder ein geschmeidiges Seil um den Sattelknopf geschlungen trug.
Die Skiläufer wagten sich bis Abo vor. Eines Morgens fand man eine Kundmachung an die Domtür genagelt, des Inhaltes, daß die dänische Tyrannei und Unterdrückung bald vorüber sein würde und jeder, der den Dänen mit Wort oder Tat helfe, seinen Hals aufs Spiel setze. Die Geistlichkeit des Domes fürchtete sich anscheinend, dieses aufrührerische Dokument abzureißen, und ließ es nicht nur bis zum Hochamt an Ort und Stelle, sondern las es sogar laut denen vor, die nicht lesen und schreiben konnten, denn am Domtor hatte sich eine große Menge Neugieriger versammelt und begaffte die Kundmachung. Junker Thomas hörte erst zur Essenszeit davon und sandte seine Reiter im Galopp durch die Stadt, um den verächtlichen Wisch abzureißen. Dennoch liefen ein paar ungehobelte Lehrlinge ihren Meistern davon und verschwanden, und einige Bürgersöhne folgten, ungeachtet der Tränen und Warnungen ihrer Eltern, ihrem Beispiel. Jeder trug in jenem Frühling irgendeine versteckte Angst mit sich herum, und blickte man den Leuten in die Augen, so sah man es unter der toten Asche glühen. Ich konnte mich der Furcht nicht erwehren, daß Kummer und Verwüstung folgen mußten.
Auf Bischof Slaghecks Brief mußte ich bis zum Sommer warten. Er hatte in großer Eile geschrieben und bedauert, meiner Sache nicht dienen zu können, denn Erzbischof Gustaf sei ein Verrückter, mit dem kein vernünftiger Mensch verhandeln könne; kein Wunder, daß ihn die schwedischen Herren seines Amtes entkleidet hatten. Der Erzbischof habe sich nun mit Bischof Jens gegen Meister Slagheck verbunden und höre, in seinem steten, brennenden Wunsch, in Schweden Hahn im Korb zu bleiben, nicht im geringsten auf seine, Meister Slaghecks, Warnungen und Ratschläge.
Doch habe ein neuer Hahn daneben zu krähen begonnen; der junge Emporkömmling Gustaf habe das Volk so verderbt, daß Meister Slagheck gezwungen war, den Bischofsstab mit dem Schwert zu vertauschen und an der Spitze eines Heeres gegen ihn zu ziehen. Diese Schlacht hätte mit einer Niederlage nicht nur des genannten Gustaf, sondern auch Meister Slaghecks selbst geendet, der den Spießen und Pfeilen der Bauern nur mit Mühe entgangen war. Es sei nicht nötig, davon in Finnland zu erzählen, und Meister Slagheck erwähne es nur, um mir klarzumachen, daß er an andere Dinge zu denken habe als an mein Priesterkleid. Übrigens müsse ich, wenn ich nicht für mich selbst sorgen könne, es nur meiner eigenen Torheit zuschreiben, und er gedenke nicht, mich mit Gewalt in
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