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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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es noch Gerechtigkeit und Gottesfurcht auf der Welt gibt, so sicher soll Junker Thomas noch früher baumeln als er. Unter seinen Leuten sind Kleriker und Bürgersöhne, und er braucht, wie andere hohe Offiziere, einen Schiffskaplan, der Latein schreiben und seinen deutschen und dänischen Gefangenen die Sakramente spenden kann, bevor er sie hängt, was beweist, daß er ein frommer Mann und kein Heide ist.«
    »Fern sei es von mir, an so etwas zu denken«, rief ich. »Ich würde ihm nicht zusagen, denn in seine Dienste treten heißt, beim Teufel selbst Kaplan werden. Jedenfalls würde er mich unverzüglich aufknüpfen, denn er gehörte zu Nils Eskilssons Zechkumpanen zu Raseborg und hat geschworen, dessen Tod zu rächen.«
    Andy erhob sich und vergewisserte sich, daß niemand an der Tür horchte. Dann sah er mich unverwandt an und sagte ernst: »Du brauchst ihm nie unter die Augen zu kommen, denn Grabbacka Nils kann auch ungesehene Männer brauchen, die ihm Nachrichten zukommen lassen können. Er will wissen, welche Schiffe von Abo in See gehen, was sie geladen haben und wie sie bestückt sind, Einzelheiten über die Dienstwege der Steuereinnehmer – wann sie die Stadt verlassen und wann sie zurückkehren – und viele andere Dinge, die einem Mann von seinem Beruf nützlich sein können. Mein Kumpan zeigte mir einen breiten Spalt in der Dommauer gegenüber dem St. -Örjans-Hospital. Wenn irgendein kühner Mann bisweilen einen Brief in diesen Spalt stecken sollte, so könnte dieser selbe Mann seinen Lohn an demselben Orte finden. Aber da ich selbst ein unwissender Kerl bin, will ich in die Wälder gehen und Tannenzapfen sammeln, um den Ehebanden zu entgehen.«
    »Gott und die Heiligen mögen dich schützen, Andy! Du willst mich zu schnödem Verrat verleiten. Schon bei dem bloßen Gedanken fühle ich die Schlinge um den Hals.«
    »Es wäre am sichersten für dich, ins Schloß zurückzukehren und wieder in Junker Thomas’ Dienste zu treten, wenn du nicht mit mir in die Wälder gehen willst; sonst hast du vielleicht eines schönen Tages ein Messer zwischen den Rippen. Grabbacka Nils scheint außer sich vor Wut über den Tod seines Freundes. Aber selbst im Schloß hättest du gewiß im Dom und im Hause des Bischofs zu tun, und unterwegs könntest du den Spalt in der Mauer untersuchen. Hab keine Angst; die Leute, denen ich gehorche, sollen den Verfasser der Briefe nie kennenlernen.«
    Er hörte nicht auf meine Warnungen, sondern verließ in jener Nacht heimlich die Stadt, zum großen Kummer der Witwe Zu den Drei Kronen. Doch er hatte wahr gesprochen, denn schon am nächsten Abend wurde ich auf dem Heimweg von der Vesper überfallen und hielt es daher für das klügste, zu Junker Thomas zurückzukehren und ihm zu sagen, daß ich in Abo nicht mehr sicher war. Er empfing mich freundlich, da er seines neuen Sekretärs Mans bereits überdrüssig geworden war, eines einfältigen schwedischen Schreibers, der aus seiner Feindschaft gegen die Dänen nie ein Hehl machte. Aber zu mir hatte Junker Thomas Vertrauen, und mir teilte er alle seine Pläne mit.
    Träge verrann die Zeit auf dem Schloß; Gefallen fand ich weder an der Gesellschaft des Schreibers Mans noch des Kaplans, der lieber mit den Söldnern Bier trank und Würfel spielte, als sich über geistliche Dinge zu unterhalten.
    Zum Zeitvertreib stellte ich eine ausführliche Liste aller aus Abo auslaufenden Schiffe auf, mit einer Beschreibung ihrer Ladung und Bestückung, den Namen der Kapitäne und der Stärke der Besatzungen. Ich hielt auch die Verstärkungen fest, die Junker Thomas nach Raseborg entsenden wollte, das nun von Seeräubern bedroht war. Auf meinem Weg zur Bibliothek des Bischofs, daraus ich die Summa des heiligen Thomas von Aquin entlehnen wollte, ließ ich das Papier in den Spalt gegenüber der kahlen Mauer des Hospitals gleiten. Ob ich nun die Hand im Spiel hatte oder nicht – viele Nachschubtransporte nach Stockholm wurden auf der Höhe der Alandinseln angegriffen und versenkt. Die schwedischen Provinzen konnten die Hauptstadt nicht länger mit Nahrungsmitteln versorgen, und so mußte Junker Thomas diese Lebensbedürfnisse unter großen Schwierigkeiten in den schon ausgeplünderten Pfarren der Umgebung von Abo zusammenkratzen.
    Als ich später nach dem Hause des Bischofs unterwegs war, um die Kommentare zurückzustellen, hielt ich inne, um an der Kirchenmauer mein Geschäft zu Verrichten, und steckte zugleich die Hand in den Spalt. Auf dem Grunde des Loches

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